Vorerst: Diese Bauwerke bestehen bereits seit 120 Jahren oder länger, das ist zumindest doppelt so lang wie die Lebensdauer, die man einem modernen Zweckgebäude zuschreibt. Das bedeutet also ein ganz großes Plus beim E in „ESG“. Nachhaltigkeit war damals, um die Jahrhundertwende, auch kein Fremdwort, sondern sogar im Zuge der Bauordnung vorgeschrieben, wie der Paragraph 27 aus dem Jahr 1859 vorgibt: „Bezüglich der Nachhaltigkeit wird festgehalten, dass der Bauführer (ausdrücklich) gute und dauerhafte Materialien verwenden soll.“ So einfach kann‘s gehen! Ganz ohne Verordnungen und OIB-Richtlinien.
Auch mit dem S war es damals recht einfach. Dazu muss man sich nur vor Augen führen, dass Wien vor 100 Jahren schon etwa 2,3 Millionen Einwohner hatte, und bei weitem nicht so groß war wie heute. Der Begriff „Bettgeher“ ist heute kaum mehr geläufig. Es hat damals mit Schichtbelegungen oft gereicht, einzelne, wenn auch kleine, Wohnungen zur Verfügung zu stellen. ESG um die Jahrhundertwende hat bedeutet: eine bezahlbare Miete, Wohnungen mit sozial verträglichen ein bis zwei Zimmern und möglichst keine Brösel mit der Baubehörde.
Möglichkeiten der Energieeffizienz
Man kann also festhalten, dass die Zinshäuser zum Zeitpunkt ihrer Errichtung ESG-konform waren. Doch wie sieht das heute aus? Die Kriterien S und G lassen sich durch Maßnahmen im Rahmen der Hausverwaltung relativ leicht sicherstellen. Schwieriger wird es bei der Energieeffizienz, doch auch hier gibt es Möglichkeiten.
Sehr einfach, wo es gut zugängliche Hof- oder Freiflächen gibt: Hier können Tiefenbohrungen angebracht werden, um eine Wärmepumpe zu speisen. Damit kann so ein Haus hinsichtlich Warmwasser und Heizung autark werden. Ausgenommen ist die U-Bahn Nähe, denn Tunnel und Tiefenbohrung vertragen sich nicht. Auch eine Luftwärmepumpe ist machbar, aber sehr geräuschintensiv und der Wirkungsgrad ist deutlich geringer. Ebenso ist eine Pelletheizung umsetzbar, jedoch aufgrund der großformatigen Bauteile (Schnecke und Kessel) meist nur schwer einzubauen.
Auch die Nutzung von südseitigen Dachflächen für Photovoltaik-Paneele ist recht einfach zu bewerkstelligen. Es gibt jetzt sogar schon Dachziegel, in die die PV-Einheit bereits integriert ist. Allerdings darf man sich davon nicht zu viel erwarten, die ausnutzbaren Dachflächen sind in Relation zu den Nutzflächen im dicht verbauten Gebiet sehr überschaubar. Im Zweifelsfall gehen sich damit das Stiegenhauslicht und ein Teil des Aufzugbetriebes aus.
Was definitiv nichts bringt ist, die reich gegliederten Fassaden mit Styropor zu verkleben um die Wärmedämmung der Außenwände zu erhöhen. Abgesehen vom katastrophalen optischen Eindruck bringt das auch mehr Probleme als Nutzen – Stichwort Taupunkt und Mauerfeuchte.
Was im Altbau immer schon gemacht wurde: die Innenflügel der schönen Kastenfenster mit zusätzlichen Dichtungen zu versehen. Die sind einfach anzubringen, verhindern Zugluft und die verbleibenden Undichtigkeiten ermöglichen dennoch einen kontinuierlichen Luftaustausch, um ein angenehmes Raumklima zu erhalten.
Letztlich werden aber bei vielen Häusern, die im dicht verbauten Gebiet stehen, diese Maßnahmen nur eingeschränkt möglich sein. Hier wird es darauf ankommen, möglichst schnell eine „saubere“ Fernwärme aus Wasserkraft, Wind und Sonne zu bekommen, da hierfür die Infrastruktur schon vorhanden ist und dies im urbanen Bereich die wirtschaftlichste, und oftmals auch einzige, Lösung ist.