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Zinsparadies mit Fragezeichen

Während in den Jahren 2010 bis 2020 eine weitgehend disinflationäre Phase vorherrschte, lassen Folgen der Coronakrise die Verbraucherpreise auf Niveaus steigen, die Erinnerungen an die frühen 80er-Jahre wecken.
Michael Neubauer
Michael Neubauer
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© REMG

In den USA stieg die Inflation von Jänner bis September 2021 von 1,4 auf 5,4 Prozent, und somit den höchsten Stand seit Sommer 2008. Im Euroraum stieg die Inflationsrate von 0,9 Prozent im Jänner auf 3,4 Prozent im September 2021, ein Level das seit 2008 nicht mehr gesehen wurde. Im Vergleich dazu liegen die Stabilitätsziele der Fed und EZB bei durchschnittlich 2 Prozent. Die Notenbanken sind voraussichtlich zum Handeln gezwungen und werden ihre aggressiv expansive Geldpolitik anpassen bzw. früher oder später beenden, kommentieren die Experten von Infina Kredit Broker, die aktuelle Situation.

Während die kurzfristigen Geldmarktzinsen noch wenig Veränderung zeigen, tendieren die Staatsanleiherenditen und die für Fixzinsbindungen relevanten langjährigen EUR-Swapsätze aufwärts. Immer mehr stehen die Zeichen auf geldpolitischer Wende, die eines Tages in einer spürbaren Verteuerung der Immobilienfinanzierungskosten münden könnte.

In Österreich stiegen laut dem von der OeNB veröffentlichten Wohnimmobilienpreisindex, die Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2021 um 11,7 Prozent, wobei sich der Boom immer mehr in die Speckgürtel der Großstädte und von dort in die nächstgelegenen stadtnahen Gegenden mit guter Verkehrsanbindung verlagert. Das Ergebnis: Außerhalb Wiens stiegen die Wohnimmobilienpreise um 12,8 Prozent und die Preise gebrauchter Wohnungen um satte 14,3 Prozent. Die rasch steigenden Immobilienpreise erfordern bei Käufern von Wohneigentum zunehmend mehr Fremdkapital, worauf folgendes Faktum hindeutet: Das Volumen der neu vergebenen Wohnbaukredite an private Haushalte stieg in Österreich in den ersten acht Monaten Jänner bis August 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15,3 Prozent auf 17,69 Milliarden Euro – eine Entwicklung im Einklang mit zweistelligen Wohnimmobilienpreisanstiegen.

Die Immobilienpreise sind langfristig betrachtet keine Einbahnstraße nach oben. Mietzinsregulierungen, Öko-Auflagen bei alten Gebäuden und Vermögenssteuern sind die eine Seite, mögliche höhere Zinsen die andere. Diese Risiken sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Darüber hinaus könnte bald die Vergabe von Immobilienkrediten eine Spur strenger gehandhabt werden. Ein weiterer kritischer Faktor ist Basel IV, dessen „Risikoberechnungsvorschriften“ den Banken zukünftig vor allem für Gewerbekredite höhere Eigenmittelunterlegung abverlangen. Auch schwächere Bonitäten bei privaten Wohnbaukrediten könnte es dann treffen, indem von ihnen höhere Risikoaufschläge bei Neuabschlüssen gefordert würden („Risk Adjusted Pricing“).

Eine „Normalisierung“ des Zinsgefüges kommt nicht von heute auf morgen. Sie wird ein langfristiger Prozess und allzu große Sprünge sind nicht zu erwarten. Doch ein schrittweiser EZB-Leitzinsanstieg von derzeit null auf vielleicht 1,5 bis 2 Prozent bis zum Jahr 2030 würde ausreichen, um die Immobilienhausse abzubremsen.