Das Sole in der Wiener Annagasse ist nicht nur für den Bundespräsidenten ein beliebter Treffpunkt zu nächtlicher Stunde. Zu Mittag ist kaum ein freier Platz zu finden. Es ist ein Treffpunkt für Künstler, Sportler, Komponisten sowie Fans der frischen, italienischen Küche. Mein Gast, Rechtsanwalt Alexander Grohmann (Baier Rechtsanwälte), zählt zu den gern gesehenen Stammgästen. „Ich komme seit über 20 Jahren in dieses Lokal. Ich mag das Ambiente und die gute italienische Küche. Außerdem ist es nicht weit von meiner Kanzlei entfernt.“ 1983 eröffnete Aki Nuredini zuerst eine Frullateria, wo er Shakes, Pasta und Panini verkaufte. Über die Jahre vergrößerte und veränderte sich das Lokal, mitgestaltet vom Architekten Johannes Spalt, zu dem, was es heute ist.
Grohmann schätzt die mediterrane Küche. „Fisch gehört zu meinen Lieblingsgerichten.“ Kein Wunder also, dass Italien auch zu den favorisierten Urlaubszielen zählt, zum Beispiel Abano Terme in der Provinz Padua. Früher sei man regelmäßig mit Freunden nach Rom gereist. „Wir fahren noch immer. Zum Geburtstag meiner Frau geht es regelmäßig nach Rom.“
Die Speisekarte ist verlockend. Wir haben die Qual der Wahl. „Nehmen wird doch von allen Vorspeisen ein wenig.“ Gesagt, getan. So finden sich nach kurzer Zeit Carpaccio di gamberi e lime (Garnelen-Carpaccio mit Limette), Polipetti alla Luciana (sautierter Babyoktopus mit einer würzigen Tomaten-Oliven-Sauce), Prosciutto con melone ebenso auf unserem Tisch wie Vitela e tomate – zwei italienische Klassiker schlechthin. Als Hauptgericht wird ein Branzino (Wolfsbarsch) in Salzkruste serviert mit einem Glas – oder waren es doch zwei – Pinot Grigio vom Weingut Eugenio Collavini– ein perfekter Tropfen.
Selbst schwingt Grohmann jedoch den Kochlöffel nicht. „Ich kann nicht kochen. Das Einzige, das ich als Student zubereiten konnte, waren Spaghetti. Das war‘s dann aber auch schon.“ Zu Hause stehen seine Frau und die vier Töchter am Herd. „Auch mein Sohn ist ein sehr guter Koch. Selbst wenn ich wollte, ich komme beruflich kaum dazu.“ Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. „Meine Frau hat mir einen Kochkurs geschenkt.“ Für Grohmann stand von Kindesbeinen an fest, Anwalt zu werden. „Mein Großvater war Jurist – das war sicher prägend.“ Wie sein Studienkollege, der spätere ORF-Journalist und nunmehrige NEOS-Abgeordnete Helmut Brandstätter, schlug Grohmann gleich nach dem Studium eine Karriere als Anwalt ein. „Wir beide waren uns rasch einig, einen juristischen Kernberuf ergreifen zu wollen. Anwalt erschien uns als die beste Berufswahl.“ Eine Entscheidung, die Grohmann zu keinem Zeitpunkt bereut hat.
Foto: REMG / Michael Hetzmannseder
Grohmann kann sich durchaus als Königsmacher bezeichnen. „Ich habe Brandstätter in die Politik gebracht. Er wurde mein Nachfolger in der Österreichischen Hochschülerschaft. Ich hatte damals die meisten Stimmen in der Fachschaft und die Fraktion wollte, dass ich den Fakultätsvorsitz übernehme. Unter den Befürwortern war auch der spätere Anwalt Georg Karasek, dessen Vater als außenpolitischer Sprecher der ÖVP damals mehr oder weniger Schattenaußenminister war. Ich wollte den Job nicht und habe Helmut Brandstätter vorgeschlagen.“ Das hat allerdings ein wenig Überzeugungsarbeit gebraucht. „Er ist dann ÖH-Vorsitzender geworden – die Freundschaft ist bestehen gelieben.“ Aus dieser Zeit kennt Grohmann noch so manche ÖH-Funktionäre, wie etwa den Altbürgermeister Michael Häupl, den Grünen-Abgeordneten Peter Pilz oder den Kurzzeitjustizminister Wolfgang Brandstetter, mit dem Grohmann nach wie vor in strafrechtlichen Angelegenheiten zusammenarbeitet.
Bevor Grohmann Anwalt werden konnte, hieß es: „Habt acht!“ Seinen Wehrdienst leistete er, wie auch sein Interviewpartner, in der Landesverteidigungsakademie ab. „Ich war, wenn man so will, Adjutant des General Kuntner.“
Alle zwei Monate publizierte die Landesverteidigungsakademie eine technische und eine politische Zeitschrift. Für die „zwei Heftchen“, wie Grohmann anmerkt, fasste er Beiträge aus diversen englisch- und französischsprachigen Wehrzeitschriften zusammen. Zu dieser Zeit ging auch sein direkter Vorgesetzter auf Urlaub. Seine Vertretung war kein geringerer als Wehrmann Grohmann. Das konnte nicht nur der damalige Armeekommandant General Emil Spannocchi kaum glauben. Noch heute erinnert sich Grohmann an das Telefonat mit General Spannocchi. „Wehrmann Grohmann.“ – „Ich möchte den General sprechen.“ – „Der General ist auf Urlaub.“ – „Wer vertritt ihn?“ – „Ich, Wehrmann Grohmann.“ Daraufhin habe Spannocchi einfach aufgelegt, um es ein paar Minuten später wieder zu probieren. „Hier Armeekommandant Spannocchi. Ich möchte den General oder seinen Vertreter sprechen.“ – „Ich vertrete ihn. Wehrmann Grohmann.“ Aufgelegt. Dann kam am Nachmittag ein Anruf vom General. „Was war? Irgendwas Besonderes?“ – „Ja, der Armeekommandant Spannocchi hat angerufen, wollte Sie sprechen und hat sich fürchterlich aufgeregt, dass ich Sie vertrete.“ – „Auch wurscht.“
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Doch bei welchem Anwalt sollte man anheuern? Da gingen die Meinungen auseinander. „Zum Graf geh ich auf keinen Fall. Der will Minister werden. Da musst du dich den ganzen Tag mit dem Verwaltungs- und/oder Verfassungsgerichtshof beschäftigen.“ Zu Stern wollte er auch nicht. „Strafrecht interessiert mich nicht.“ Dann war eine Annonce im „Kurier“: Weiss-Tessbach. „Als normaler Jus-Student mit 23 hat man keine Ahnung gehabt, wer das ist. Aber mein Vater wusste Rat: `Weißt du, Weiss-Tessbach, das ist eine ganz honorige Kanzlei.´ Also habe ich dort angerufen und bin hingegangen. Damals war das die älteste Kanzlei in Österreich. Vier Anwälte und vier Konzipienten haben die Kanzlei geschupft. Das hat mich geprägt. Ich konnte vom ersten Tag an selbstständig arbeiten. Konnte – wohl besser gesagt – ich musste.“
Eine seiner ersten Aufgaben war die Leitung einer Aufsichtsratssitzung. „Erst während der Sitzung habe ich gemerkt, dass ich den Vorsitz führen sollte. Keiner hat mir vorher davon erzählt.“ Gerne denkt Grohmann an diese durchaus auch anstrengende Zeit zurück. „Viele junge Juristen sind heutzutage nicht dazu in der Lage, selbstständig zu arbeiten. Die meisten haben Hemmungen, Verantwortung zu übernehmen.“ Das sei, so Grohmann, auch auf das Thema Work-Life-Balance zurückzuführen. „Viele Jungjuristen wollen sicher sein, dass sie um sechs oder um fünf nach Hause gehen, dann und wann in den Urlaub fahren und übers Wochenende wegfahren können.“ Längere Arbeitszeiten waren für Grohmann nie ein Problem. „Meine Frau war zu dieser Zeit Balletttänzerin an der Wiener Volksoper. Wenn sie Vorstellung hatte, hatte ich auch abends genug Zeit für die Arbeit.“ Jeden Montag gab es in der Kanzlei ein Mittagessen. „Da ging es hauptsächlich um das Verteilen der Causae.“
Übrigens: Sein Nachfolger als Konzipient bei Weiss-Tessbach war Georg Karasek. „Georg Karasek hat den ältesten Fall der Kanzlei von mir übernommen und zum Abschluss bringen können. Es ging um verlorenes Vermögen in Italien. Der Fall hatte 1945 nach dem Krieg begonnen. Ich habe es geschafft, 1984 eine Entschädigung zu erwirken. Unter Georg Karasek ist dann das Geld geflossen. Das habe ich allerdings nicht mehr in der Kanzlei erlebt.“ Mein erster Akt als eigener Anwalt betraf eine Markeneintragung in der Gastronomiebranche. „Es ging um die Marke `Schwarze Kuchl´ für ein Restaurant in Krems, das bis heute besteht.“
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Seine erste eigene Kanzlei befand sich in der Singerstraße in der Wiener Innenstadt. „Ich konnte die Kanzlei durch einen Glücksfall übernehmen.“ Grohmann hatte sich auf eine Annonce im „Anwaltsblatt“ gemeldet. Zurückgerufen wurde er von einer alten Bekannten aus Kitzbühel. „Ich war als Student Skilehrer in Kitzbühel. Meine Bekannte war damals mit einem Sohn eines Anwalts befreundet, der seine Kanzlei aufgeben wollte.“ Der Anwalt war ÖVP-Bundesrat. Nach langwierigen Verhandlungen hat dieser die Räumlichkeiten samt den Causae – in erster Linie Autounfälle und Versicherungen – an Grohmann übergeben. „Aber jedenfalls haben wir mit diesen Causae die Sekretärin bezahlen können.“ Grohmann kann sich noch genau daran erinnern: „Am 3. August 1984 bin ich in die Singerstraße eingezogen. Am 1. Jänner 1985 habe ich mit Lambert eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Die späteren Eversheds-Sutherland-Anwälte Alexander Stolitzka und Georg Röhsner waren meine ersten beiden Konzipienten. Ein paar Jahre später kam eine weitere Kanzlei in der Dominikanerbastei dazu.
Glücklicherweise verhandelte Grohmann zu diesem Zeitpunkt mit der Immobiliengesellschaft der PSK über das Projekt Hauptpostamt am Fleischmarkt/Ecke Laurenzerberg und zog in den Verhandlungen ein Ass aus dem Ärmel: „Wir mieten – unter der Bedingung, dass wir die Causa bekommen.“ Der Vorschlag wurde angenommen und die PSK Immobilien wanderten für die Verwaltung zu Grohmann und seinem Team. „Gleichzeitig ging es dann mit der Ostexpansion los. Ich war für Prag und die Tschechische Republik zuständig. Kollege Lambert übernahm Ungarn. Bei den ersten Prager Causae habe ich damals den Kollegen Baier kennengelernt. Der hatte dieselbe Kanzlei wie wir, die in Prag vor Ort das Geschäft abgewickelt hat. Gemeinsam konnten wir unsere Aktivitäten ein wenig besser straffen. Zudem hatten wir schon eine internationale Verbindung zu einer englischen Großkanzlei, die hieß Dentons. Bald darauf, es muss gegen 1993 oder 1994 gewesen sein, haben wir zum ersten Mal an der MIPIM in Frankreich teilgenommen.“
Interessanterweise stieß der Besuch bei den Konzipienten und Junganwälten auf wenig Gegenliebe. „Wir hatten damals besprochen, den jüngsten Anwalt nach Frankreich zu schicken.
Ich hatte keine Zeit. Ich musste mich ums Geschäft kümmern.“ Nach der Rückkehr befragt, war die Antwort ernüchternd:„Ja, war schon nett.“ Im nächsten Jahr stand die Kanzlei vor demselben Problem. Auf meine Frage: „Wer fährt?“, hörte ich nur: „Nein, keine Lust.“ Also machte ich mich selbst auf die Reise. „Heute reißen sich alle darum.“ Doch nachträglich sollte sich die Entscheidung als goldrichtig erweisen. „Es war anstrengend. Parallel zur MIPIM verhandelte ich über ein Mietshaus mit dreißig Wohnungen.“ Potenzieller Käufer war Thomas Muster, für den der Anwalt bereits zuvor eine Stiftung gegründet hatte. Es hat sich dann herausgestellt, dass Karl Petrikovics das Haus für den Eigentümer eines großen Transportunternehmens kaufen wollte, der Logistikunternehmer das Haus aber nicht mehr wollte. „Wir haben intensiv verhandelt und uns schlussendlich einigen können.“ Dann ging es zur MIPIM. Das sei Knochenarbeit gewesen. Grohmann hatte Standdienst – im Keller.
Wenn er keinen Dienst hatte, flüchtete er aus den Katakomben. Bei der Rückkehr von einem seiner Streifzüge fand er eine interessante Visitenkarte. Karl Petrikovics war bereits zweimal am Stand gewesen und hatte ihn gesucht. Das anschließende Zusammentreffen hat zu einer langjährigen Zusammenarbeit bei vielen Projekten geführt. „Ich muss sagen, ich bin mit Petrikovics super ausgekommen. Das hat darin gemündet, dass ich in einer der berühmten `Leintuchgesellschaften´ Aufsichtsrat wurde – glücklicherweise in der gesunden.“ Vorstandsvorsitzender war sein Badener Rechtsanwaltskollege Rudolf Frieß, der erst vor kurzem als Investor aus der Immofinanz ausschied.
Fotos: REMG/Hetzmannseder
Die Finanzkrise hat Grohmann hautnah im Zentrum des Wirbelsturms miterlebt. Der damalige Finanzvorstand hätte immer wieder betont, dass alles konsolidiert sei. „Das war es aber nicht. In Summe gab es zwischen 140 und 150 Gesellschaften. Unter anderem aber auch einige Wohnbaugesellschaften mit Anlegerwohnungen, für die ich tätig war. Da war aber nichts konsolidiert. Das haben wir allerdings erst bei einer Krisensitzung beim Wirtschaftsprüfer erfahren. Gemeinsam mit Falschlehner (ehemaliger Vorstand der Schoellerbank) als Notvorstand haben wir einen kleinen Beitrag zum Startschuss der Sanierung der Immofinanz Gruppe beigetragen.“
Apropos Thomas Muster. Grohmann ist von Kindesbeinen an begeisterter Tennisspieler und Schiedsrichter. „In der Hinterbrühl – 1966 – hat die Leidenschaft begonnen. Ich war damals elf Jahre alt.“ Mit 14 begann seine Karriere als Schiedsrichter. „Ich spielte bereits bei Jugendturnieren mit. Für ein internationales Turnier wurden 14-, 15-jährige Burschen als Schiedsrichter gesucht. Gesagt, getan. Nach einer Prüfung war ich Schiedsrichter. Gleich mein erster Einsatz führte mich nach Kitzbühel, das damals aber noch viel kleiner aufgestellt war als heute. Da hat man ein bisschen Taschengeld bekommen.“
Kein Wunder also, dass sich später so manch international bekannter Tennisspieler unter seinen Klienten befand. „1984 oder 1985 habe ich dem damaligen Muster-Trainer Ronnie Leitgeb geraten, mit Thomas Muster nach Monte Carlo zu ziehen. Falls es was wird und er Tennisturniere gewinnt, wird das wahrscheinlich wirtschaftlich opportun.“ Auch hier weiß Grohmann über einen Erfolg zu berichten. „Ich habe Thomas Muster zu einem super Sponsorenvertrag verholfen.“ Gerne denkt er an den Tenniszirkus zurück. „Ein einmaliges Erlebnis war 1995, in Monte Carlo am Center Court zu sitzen und zuzusehen wie Thomas Muster Boris Becker schlägt.“
Noch schnell ein Nachtisch. Ein Besuch beim Italiener ohne Dolci – einfach undenkbar. Panna cotta, Crème brûlée und Tiramisu, dazu zwei große (starke) Espressi – das muss sein. Allein der Crème brûlée wegen werde ich wiederkommen.
Grohmann gilt auch als einer der Väter des Bauträgervertragsgesetzes. „Zu Beginn haben wir ein Vorsorgewohnungsmodell entwickelt. Ich muss zugeben, bei diesem Modell haben wir alle voneinander abgeschrieben. Bei unserem ersten Projekt in der Laudongasse 47 konnten wir LKW Walter den Großteil der Wohnungen verkaufen.“ Daraus entwickelte sich das Bauträgervertragsgesetz. Gemeinsam mit Petrikovics wurde ein großes Symposium veranstaltet. Grohmann ließ seine Kontakte spielen und so kam das Who is who der Branche. Angefangen von der Autorin des BTVG, Sonja Bock – „jetzt eine verheiratete Bydlinsky. Die war als Konzipientin nämlich meine Nachbarin bei Weiss-Tessbach.“ Vor den ersten Projekten hatte man auch mit einem bekannten Staatsanwalt aus dem Justizministerium als Vater des BTVGs Kontakt. „Die Frage war, ob auch das Ministerium unserer Auslegung zustimmen würde.“ Doch die Zustimmung konnte eindeutiger nicht sein: „Ja, super, das passt.“ Das ist Grohmann noch deutlich im Gedächtnis. „Wir konnten starten.“ Seit 1996/97 hat Grohmann über hundert Immobilienprojekte abgewickelt und dabei zehntausende Wohnungen an VIPs und andere verkauft. 2008, also zu Beginn der Finanzkrise, hatte der Immobillienspezialist über hundert Millionen Euro an Treuhandgeldern – in den Büchern. Grohmann fürchtete, dass viele seiner Käufer nun anrufen und überlegen würden, eine eigene Hotline einzurichten. Doch der Ansturm blieb aus. „Da haben dann vielleicht zwei, drei angerufen. Das war‘s.“