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Zu Tisch mit Wolfgang Scheibenpflug

Airport City. Der Standort Flughafen Wien könnte vom BREXIT profitieren ist Wolfgang Scheibenpflug, Leiter Immobilien- und Standortmanagement Flughafen Wien AG überzeugt.
Michael Neubauer

Airport City. Der Standort Flughafen Wien könnte vom BREXIT profitieren ist  Wolfgang Scheibenpflug, Leiter Immobilien- und Standortmanagement Flughafen Wien AG überzeugt.

Mittag- oder Abendessen ist leider nicht drin. Der Terminkalender von Wolfgang Scheibenpflug platzt aus allen Nähten. Aber ein Frühstück, das geht. So treffen wir einander an einem lauen, aber stürmischen Herbsttag beim „Joseph – Brot vom Pheinsten“. Tischreserverungen gibt’s hier nicht – aber wir können, wie ich meine, einen der nettesten Plätze direkt vor der Verkaufstheke ergattern. Jetzt rasch alles hergerichtet: Das iPhone liegt als Diktiergerät bereit. Auch bestellt ist schnell: Wolfgang Scheibenpflug greift zum „Wiener Frühstück“: Handsemmel, mürbes Kipferl, Butter, Wachauer Marillenmarmelade, weiches Ei, Melange. Der Duft von frischem Brot hat meine Lebensgeister geweckt. Heute muss es ein „Stadtparkfrühstück“ sein: Handsemmel, mürbes Kipferl, La Marianne Brot, Butter, weiches Ei, Wachauer Marillenmarmelade & Honig, Frischkäse, Thums Wiener Beinschinken, Camembert, ein großer Espresso. Der Tag kann beginnen.

In welcher Küche wir bei einem Mittag- oder Abendessen gelandet wären? „Wahrscheinlich bei etwas Bodenständigem – Richtung Hausmannskost – vielleicht auch bei einem Italiener“, so Scheibenpflug. Essen ja – Kochen nein. „Meine Frau kocht gerne und ausgezeichnet – ich habe andere Qualitäten.“ Eines aber ist klar: Grillen, das ist seine Domäne. In der Küche „… sind es eher die niederen Dienste, die ich verrichten darf“. Das gemeinsame Frühstück mit seiner Familie hat für Scheibenpflug einen ganz besonderen Stellenwert. „Nach dem Frühstück geht jeder seiner Wege.“

[caption id="attachment_10448" align="alignleft" width="268"]© cityfoto © cityfoto[/caption]

„Im Sommer Laufen, im Winter Skifahren und Eislaufen – vor allem wenn die Skisaison wiederbeginnt. Im passiven Fußball bin ich ganz stark“, schmunzelt Scheibenpflug. Früher schlug sein Herz für den Kremser Sportclub. „Die waren tatsächlich einmal Cupsieger.“ Scheibenpflug war beim Finale in Innsbruck mit dabei: „Ein prägendes Erlebnis.“ Heute geht er mit der Familie zu den Spielen des Nationalteams ins Stadion.

Scheibenpflug hat sich auch in einem Fitnesscenter am Flughafen eingeschrieben. Wobei es den Anschein hat, dass die Betonung auf „eingeschrieben“ liegt. Denn die Besuche sind selten, wie er gesteht. Auch wenn es vom Office Park am Flughafen nur einige Schritte zum Studio sind. „Irgendwann möchte man auch nach Hause kommen.“ Das Fitnesscenter werde von den Mitarbeitern der am Flughafen Wien angesiedelten Unternehmen „sehr gut angenommen“. Das Fitnessstudio sei eines der Ergebnisse einer Bedarfsanalyse gewesen. „Wir haben Dienstleistungen entsprechend der Ergebnisse dieser Umfrage nachgezogen. Dazu zählt neben dem Fitnesscenter, das im September vorigen Jahres in Betrieb ging, auch eine eigene Poststelle.“

Man glaubt es kaum. Der Flughafen Wien hatte mit der Schließung des Postamtes dasselbe Schicksal wie auch viele andere Orte in Österreich erlitten. Der Versuch mit einem Postpartner hatte sich als nicht tauglich herausgestellt. „Wir haben das nun auf neue Beine gestellt.“ Das von der Österreichischen Post AG neu entwickelte Geschäftsmodell für den Businessbereich wurde nun gemeinsam mit der Flughafen Wien AG erstmals am Airport realisiert. „Bundesweit ist der Flughafen Wien der erste Post-Partner-Standort, der über ein Selbstbedienungs-Foyer verfügt und dadurch jederzeit für Kunden zur Verfügung steht“, so Scheibenpflug. Ein Postamt ist für einen Bürostandort ein Muss. Mit 1300 habe man auch eine attraktive Postleitzahl – „für alle, die darauf Wert legen“, schmunzelt Scheibenpflug.

Scheibenpflug studierte Geografie/Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien. „Meine Diplomarbeit habe ich über den Immobilienmarkt geschrieben. Das war eigentlich der Einstieg in die Immobilienbranche. Ich habe mich dann bei mehreren Gesellschaften beworben, darunter auch bei der Constantia Privat Bank (CPB). 2008 erfolgte der Wechsel zu EHL." Spannende, interessante Jahre, wie der Immobilienmanager betont: „Gestartet haben wir 1997 bei CPB mit 7 Personen. Wie ich weggegangen bin, waren wir 150.“ Ab 2002 leitete er die Abteilung für Gewerbeimmobilien.

Wieso dann trotz der tollen Karriere der Wechsel zur Flughafen Wien? „Mich hat einfach die neue Aufgabe gereizt. Ich habe in den 16 Jahren bei CPB bzw. EHL viel gelernt und gesehen, viele interessante Leute kennengelernt. Aber einen Standort zu entwickeln und zu vermarkten, einen Standort hochzufahren, das hat mich schon interessiert.“ Aus seiner Sicht ist der Flughafen einer der interessantesten Immobilienstandorte, die Österreich bieten kann. „Allein die Rahmenbedingungen eines Flughafens machen die Aufgabe mehr als spannend. Dass man daraus etwas machen kann, habe ich mit meinem Team in den letzten Jahren zeigen können.“

Der Verkauf der Austrian Airlines an die Lufthansa habe auf den Office-Standort keine Auswirkungen gezeigt. „Ein Flughafen steht immer in einer besonderen Abhängigkeit zu seinem oder seinen Home-Carrier. „Geht es den Airlines – in unserem Fall der Austrian oder Fly Niki – gut, geht es auch dem Flughafen gut.“ Die Umsetzung des Airport-City-Konzepts bedeutet, ein zweites starkes Standbein zu schaffen, für diese Aufgabe ist Scheibenpflug vor vier Jahren geholt worden. Im Mittelpunkt des Airport-City-Konzepts stehen neben der Vielfalt der Dienstleistungen am Standort vor allem die ganzheitliche Betrachtung und das Zusammenwirken der einzelnen Partner entlang der Wertschöpfungskette. Im Frachtbereich bedeutet das zum Beispiel, dass man sich nicht nur auf die eigene Logistikkompetenz am Flughafen konzentriert, sondern darüber hinaus auch potenzielle Partner und Dienstleister adressiert, für die ein gut aufgestellter Logistikstandort wie der Flughafen von Nutzen ist und die auch miteinander Synergien teilen. So profitiere der Werkzeughersteller makita mit seinem Logistikunternehmen Cargo Partner von der Nähe zum Airport, weil dadurch Lieferzeiten stark beschleunigt werden konnten.

Bei der Entwicklung des Standortes verfolge man mehrere strategische Stoßrichtungen. „Im Air-Cargo-Bereich errichten wir gerade ein 13.000 Quadratmeter großes neues Gebäude. Dieses ist bereits vorvermietet – und wird Ende September 2017 an die Kunden übergeben werden."

Die Airport City Vienna war der erste Standort in Österreich, der von der „Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft“ (ÖGNI) die Quartierszertifizierung für nachhaltige Immobilienentwicklung erhalten hat. Im Herbst 2015 wurde dem Flughafen Wien auch der Green & Blue Building Award verliehen.

Die zweite Stoßrichtung ist Hotellerie. Das Moxy Hotel ist bereits in Bau und wird im März 2017 eröffnet. Mit diesen zusätzlichen 400 Zimmern erhöht sich das Angebot auf über 900 Zimmer am Standort.

Im Office-Bereich wird es knapp. „Wir können von einer Vollvermietung sprechen und das bei insgesamt 90.000 Quadratmetern Bürofläche.“ Die Nachfrage sei groß – Kühne + Nagel hat seine Unternehmenszentrale mit über 120 Beschäftigten an den Flughafen verlegt, EVA Air und Eurowings haben ebenfalls Bürostandorte bezogen. „Wir arbeiten bereits an der Erweiterung am Office Park 4 mit zusätzlich 20.000 Quadratmeter Bürofläche. Die Fertigstellung ist bis Ende 2019 geplant.“ Mit dieser Erweiterung werden weitere 1.000 Arbeitsplätze an der Airport City Wien geschaffen.

Den Erfolg misst Scheibenpflug an den Kundenanfragen: „Jede Woche zwei bis drei Anfragen, die sich für Büroflächen oder Lagerflächen interessieren. Der Sog, den man sich erhofft, ist eingetreten. Es ist uns gelungen, den Standort Flughafen Wien in der österreichischen Immobilienlandschaft zu verankern.“

Worauf Scheibenpflug besonders stolz ist: „Es gibt nicht viele größere Einheiten, die, so wie das Viertel Zwei oder Europlaza, einheitlich gemanagt sind.“ Und daran werde sich in Zukunft auch nichts ändern. „Der Flughafen muss immer im Gewahrsam seiner Grundstücke sein. Selbst wenn wir verkaufen könnten – wir dürfen es nicht.“ Wenn man nicht selbst entwickeln kann oder will, bleibt nur die „Notlösung“ Superädifikat. „Beide Hotels haben wir als Superädifikat vergeben. Für eine eigene Entwicklung fehlt uns für diese Spezialimmobilie das Know-how.“

Dass der Flughafen Wien als Bürostandort im Vienna Research Forum (VRF) von Alexander Bosak nicht angeführt wird, ist dem 46-jährigen ein Dorn im Auge. „Wir arbeiten daran, dass der Standort Flughafen Wien im nächsten Report dabei sein wird.“ Man könne es drehen, wie man wolle – der Flughafen Wien sei, auch wenn er in Gemeinden in Niederösterreich liegt, ein Bürostandort, der in Konkurrenz zu Wiener Standorten stehe.

Ob der Standort Flughafen Wien vom BREXIT – „Wer weiß, wann und wie er kommt“ – profitieren kann, ist für Scheibenpflug noch nicht abschätzbar. „Wir hatten bei der Expo Real bereits erste Gespräche. Ob etwas rauskommt, wird man sehen. Bei den englischen Kollegen hat sich schon eine gewisse Unruhe einstellt. Man hat erkannt, das die Regierung ohne Plan in die Sache hineingegangen ist. Das ist für einen Wirtschaftsstandort immer eine Tragödie. Aber wir sind nicht die Einzigen, die sich ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen. Wir sind hier klar in Konkurrenz mit anderen Standorten.“ Viel unmittelbarer profitieren werde der Flughafen vom zunehmenden Versandhandel. „Der stationäre Handel wird in den nächsten Jahren Probleme bekommen.“ Amazon & Co brauchen aber Standorte in der Nähe von Metropolen. „Der Flughafen ist nahe an der Slowakei und Ungarn und man kann in wenigen Minuten die Stadt erreichen – für potenzielle Kunden ein großer Vorteil.“

„Erreichbar zu sein ist in einer Führungsposition normal. Mir ist es lieber, ich lese im Urlaub meine Mails und es poppen keine 1.000 Mails nach dem Urlaub auf, wenn ich das Mailprogramm wieder öffne. Da bin ich gleich wieder urlaubsreif.“ Was er nicht mag, ist ein nach 14 Tagen Urlaub sich durchbiegender Schreibtisch. „Das wäre für mich mehr Stress, als die eine Stunde – die es oft gar nicht ist – zu investieren. Ich habe mit meiner Frau vor einigen Jahren ein Agreement geschlossen. Ich lese meine Mails dann, wenn alle schlafen. Dann kann ich eine halbe Stunde bis Stunde mit meiner Assistentin telefonieren und dann ist das erledigt. Wenn etwas Dringendes ist, bekomme ich eine SMS. Für mich schaffe ich so eine gewisse Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.“ Es ist auch so für das Team entspannter, aber „das muss jeder für sich selbst entscheiden. Das kommt auf den Persönlichkeitstyp an. Für mich ist es so der richtige Weg und es können alle damit leben“.

Wo er die Airport City in 10 Jahren sieht? „Ich hoffe, es ist ein florierender Standort. Vielleicht gibt es einen weiteren Office Park. Dass sich Firmen angesiedelt haben und die Airport City in Mitteleuropa für anderen Flughafenbetreiber ein Vorbild ist.“


[caption id="attachment_10449" align="alignright" width="372"]© cityfoto © cityfoto[/caption]

Wolfgang Scheibenpflug, MRICS

geb. 1970 in Krems, studierte Geografie/Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien und begann nach Ende des Studiums 1997 bei CPB Immobilientreuhand. Ab 2002 leitete er die Abteilung für Gewerbeimmobilien. 2013 erfolgte der Wechsel zur Flughafen Wien AG. Der Leiter Immobilien- und Standortmanagement Flughafen Wien AG ist auch Vortragender an der Donau-Universität Krems für die postgradualen Lehrgänge Real Estate und Real Estate Valuation.

Wolfgang Scheibenpflug ist seit 2008 Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors und seit 2010 Mitglied bei IMMQ (Verein zur Förderung der Qualität in der Immobilienwirtschaft).