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Zukunftsunfähig

Das Raumschiff Erde ist in Gefahr. Die treibende Kraft der Zerstörung unseres Planeten ist unser Konsum. Mit der Einführung eines dualen Ressourcenwährungssystems will Wolfgang Pekny, Geschäftsführer der Plattform Footprint, der Gedankenlosigkeit beim Umgang mit Energie, Konsum und Biokapazität gegensteuern.
Michael Neubauer

Das Raumschiff Erde ist in Gefahr. Die treibende Kraft der Zerstörung unseres Planeten ist unser Konsum. Mit der Einführung eines dualen Ressourcenwährungssystems will Wolfgang Pekny, Geschäftsführer der Plattform Footprint, der Gedankenlosigkeit beim Umgang mit Energie, Konsum und Biokapazität gegensteuern.

Seit Ende der 80er Jahre hat der gesamte globale Fußabdruck die weltweite Biokapazität überschritten, erklärt der Umweltaktivist Wolfgang Pekny.Heute ist der weltweite Fußabdruck bereits um 50 Prozent größer als die nachhaltig auf der Erde verfügbare Biokapazität. Das heißt, die Menschheit lebt nicht mehr von den „Zinsen“ der Natur, sondern verbraucht bereits das „Kapital“ der Erde. Die Folgen sind Übernutzung von Boden, Luft und Wasser ebenso wie die Zerstörung von Pflanzen- und Tierwelt. Der globale Zustand ist doppelt tragisch, weil drei Viertel der Weltbevölkerung noch kaum Nutzen aus diesem Raubbau ziehen.

„Wir müssen umdenken, so kann es nicht weitergehen“, mahnt Pekny. Sein Lösungsansatz: Ressourcenpunkte. Neben der Geldwährung soll es Ressourcenpunkte geben, die den Menschen als Geburtsrecht jedes Jahr zugeteilt werden. Jedem Menschen auf der Erde gleich viele. Dieses Punktesystem ermöglicht es dem einzelnen, über jenes Maß an Ressourcen frei zu verfügen, das ihm laut ökologischem Fußabdruck pro Jahr zusteht, also momentan 1,7 globale Hektar. Alles, was darüber hinausgeht, muss man dazukaufen oder kann nicht verbraucht werden. Dies würde der Effizienz, mit der Ressourcen wie Energie verwendet werden, einen enormen Auftrieb geben, ist Pekny überzeugt.

„Die Rechnung ist einfach“, so Pekny. „Aktuell haben wir pro Kopf 1,7 produktive Hektar auf der Welt. Wächst die Weltbevölkerung auf 10 Milliarden, liegt das längerfristige Pro-Kopf-Budget wahrscheinlich unter einem Hektar.“ Doch wir kommen nicht einmal mit den 1,7 globalen Hektar aus. „Der nordeuropäische Durchschnitt liegt mit 5 Hektar beim Fünffachen dessen und in einigen Ländern bis zum Zehnfachen. Heute braucht der durchschnittliche Österreicher 5,2 bis 5,3 Global-Hektar.“ Würden alle Menschen so leben wollen wie wir in Europa, bräuchten wir bald 3

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Planeten! Wir leben auf zu großem Fuß!

1993 fiel der Earth Overshoot Day auf den 21. Oktober. Earth Overshoot Day markiert das ungefähre Datum, an dem unsere Nachfrage an natürlichen Ressourcen das Angebot eines ganzen Jahres übersteigt und damit auch die Kapazitäten unseres Planeten, alle konsumierten Ressourcen abzubauen und zu erneuern. Im Jahr 2003 fiel der Earth Overshoot Day auf den 22. September. Nach den aktuellen Trends wird klar: Der Earth Overshoot Day findet jedes Jahr etwas früher statt. 2015 fiel der Earth Overshoot Day auf den 20. August.

Geplünderte Meere - vernichtete Urwälder

Diese Überbeanspruchung des Planeten zeige sich schon heute in geplünderten Meeren, vernichteten Urwäldern, kaputten Böden, schwindender Biodiversität und allem voran im Anstieg des CO2 in der Atmosphäre. „Wir haben noch nie etwas an die Natur ,zurückgezahlt‘. Dieser Raubbau summiert sich allein in unserem Jahrtausend auf etwa 10 Jahre, die wir an Ökoschuld angesammelt haben“, rechnet der Umweltschützer vor. Pekny blickt düster in die Zukunft: „Erstmals in der Neuzeit könnte die Generation unserer Kinder schlechtere Zukunftschancen haben als ihre Eltern. Ressourcenknappheit, Klima-, Hunger- und Finanzkrisen sind dabei Symptome des gleichen Phänomens: Der Planet Erde ist für die Wirtschaftsformen und Lebensweisen der ,Global Consumer Class‘ schlicht zu klein geworden.“ Das Raumschiff Erde sei in Gefahr.

Pekny lebt Umweltschutz

Als Schüler hatte er einen großen Traum: „Wir bauen uns ein Baumhaus, fangen Fische, nehmen sie selbst aus … Das ist in unseren Breiten gar nicht so einfach. Da kann man nicht einfach irgendeinen Baum umschneiden, jeder Baum gehört jemandem genauso wie die Fische.“ Später konnte er sich seinen Bubentraum erfüllen. Er ging ein Jahr nach Alaska. Er baute sich ein Blockhaus und lebte ein, wie er sagt, „einfaches Leben“. Diese Zeit war sehr wertvoll. „Man weiß Wasser erst richtig zu schätzen und was es bedeutet, dass das Wasser aus der Wasserleitung rinnt, wenn man jeden einzelnen Kübel von der Quelle holen muss. Es ist ganz gut, wenn man das einmal erlebt hat. Es ist einfach herrlich, in Alaska im Fluss zu schwimmen und mit dem Boot zu fahren.“ Zurück in Österreich engagierte er sich gegen Gewässerverschmutzung und gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf.

„Bei vielen Professoren bin ich – bei allem fachlichen Respekt – auf wenig Gegenliebe gestoßen. Ein angehender Naturwissenschaftler, der gegen Atomkraft war – der muss ja einen Vogel haben. Wir Umweltschützer waren die – Entschuldigung - ,Arschlöcher‘ der Nation. Wir waren die, denen die Fische im Fluss wichtiger waren als die Arbeitsplätze. Allein der Gedanke war für viele obszön.“ Mit Conrad Lorenz entwickelte er „ ... so etwas wie ein Vorsorgeprinzip, eine Verantwortung für zukünftige Generationen.“ Pekny hält das Motto „Jeder ist seines Glückes Schmied“ für einen der größten Irrtümer. „Wenn ich mitten in Somalia geboren bin, kann ich meines Glückes Schmied sein, was ich will. Wir sind Glückspilze, weil wir hier geboren sind. Wir haben den Lottotreffer quasi schon gemacht.“

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Greenpeace-Chef Österreich

Bald darauf heuerte Pekny bei Greenpeace an. Pekny leitete fast zwei Jahrzehnte Greenpeace Österreich und gründete dann die Plattform Footprint, eine Allianz von umwelt- und entwicklungspolitischen Organisationen. „Neben meinem Physik- und Chemiestudium habe ich immer mehr Biologie gemacht und bin dann eigentlich bei der Biologie und Ökologie hängengeblieben. Ich hatte dann das große Glück, das Engagement für die Umwelt sehr früh zum Beruf zu machen.“ Ab 1987 arbeitete Pekny hauptberuflich für Greenpeace. „Ich habe Greenpeace natürlich vorher schon unterstützt und in Hainburg bei der Au-Besetzung vom ersten Tag bis zum letzten Tag den ganzen Müll weggeräumt. Da waren ja Berge an Plastikfolien. Ich hätte es damals nicht für möglich gehalten, dass das einmal mein Hauptberuf wird. Dass ich die Umwelt schützen und davon leben kann. Das war am Anfang ja nicht absehbar.“

Knapp nach der Jahrtausendwende fragte sich Pekny, welche Rolle Greenpeace beim Erfüllen der Millenniumsziele – Halbierung der Armut und Zugang zu sauberem Wasser etc. – haben könnte. „Meine Erkenntnis nach Gesprächen mit den klügsten Leuten der Welt – Kofi Annan und Co. – war ernüchternd. Wir können nichts dazu beitragen. Wir sind draufgekommen, dass so wichtig das auch alles ist, was die Kollegen vom WWF, Greenpeace und Global 2000 auch machen, ich möchte das keine Sekunde schmälern, es ist und bleibt delegierbarer Umweltschutz.“ Wenn man den Orang-Utans helfen möchte, mache es keinen Sinn, sich ins Flugzeug zu setzen und nach Borneo zu fliegen. Da verursacht das Fliegen mehr Schaden, als man Nutzen bringen kann. „Wenn ich Eisbären retten will, muss ich für Greenpeace spenden. Doch das ist delegierbarer Umweltschutz. Das ist zu wenig.“ Die eigentliche Message laute: „Lieber Freund, das Problem bist du. Es ist dein Fleisch, deine schlecht isolierte Wohnung, bei der die Energie aus den Fenstern hinausfährt. Es ist dein jährlicher Flug in den Urlaub.“ Dies sei aber bei weitem nicht so leicht zu verkaufen wie delegierbarer Umweltschutz. „Ändere Dein Ernährungsverhalten, ist nicht delegierbar. Wäre aber immens wichtig.“

„Ich kann natürlich sagen: ,Wir retten den Tiger, gib mir 50 Euro‘, das ist auch legitim – aber ich kann eben nicht sagen: ,Du isst zu viel Fleisch, gib mir 50 Euro für diese Erkenntnis‘ – das geht nicht. Aus diesem Grund haben wir die Plattform Footprint gegründet.“ Über diese Plattform könne man auch die heiklen und unangenehmen Themen ansprechen.

„Wir brauchen andere Wirtschaftssysteme“, fordert Pekny. Jeder versuche Exportweltmeister zu werden und seinen Output zu maximieren. Das war zuerst das Erfolgsrezept der Deutschen und ist es nun der Chinesen. Im geschlossenen System im „Raumschiff Erde“ bedeute mehr exportieren von einem immer mehr importieren eines anderen. „Mehr“ gehe nur auf Kosten eines anderen. Der sei dann eben das „Würschtel“, der dann ein Handelsbilanz-Defizit hat. „Wenn ich in einer fairen Welt leben will, kann ich mir nicht als Ziel setzen, immer einen Handelsbilanzüberschuss zu haben.“ Ein Handelsbilanzüberschuss gehe auf Kosten anderer. Der Erfolg Deutschlands sei das Desaster von Portugal und Griechenland. „Das heißt, wir brauchen andere Wirtschaftssysteme. Das aktuelle ist für eine Welt ausgedacht, die unendlich ist, wo es immer Raum gibt, wo man expandieren kann, wo alles wächst und alles mehr wird. Diese Welt gibt es nicht mehr. Daran müssen wir uns jetzt gewöhnen.“

Nichts ist stärker als ein gutes Vorbild

„Die Aufgabe für uns ist jetzt nicht zu überlegen, wie die Chinesen Nullenergiehäuser bauen könnten, sondern wie wir Nullenergiehäuser bzw. ganze Siedlungen bauen. Denn dann können wir darauf wetten, dass die Chinesen uns das nachmachen werden. Die Chinesen sind ja Meister im Nachmachen. Zuerst haben sie die Schweizer Uhren nachgemacht, dann die deutschen Autos, also warum sollen sie nicht auch unsere energielosen Gebäudekomplexe oder die CO2-neutrale Stadt nachmachen“, so Pekny.


ÖKOLOGISCHE NACHHALTIGKEIT

Mindestens vier Bedingungen müssen für die ökologische Nachhaltigkeit beachtet werden: Konsistenz, Effizienz, Resilienz und Suffizienz.

  • Die Konsistenz-Bedingung verlangt, dass sich alle menschlichen Tätigkeiten mittelfristig in natürliche Kreisläufe einfügen, Stoffe also ungiftig, erneuerbar und abbaubar sind. Kreislaufwirtschaft und das „cradle to cradle“-Konzept fokussieren auf diese Aspekte.
  • Die Effizienz-Bedingung besagt, dass knappe Güter wie Energie, Material oder Flächen mit möglichst großem Nutzen eingesetzt werden.
  • Die Resilienz-Bedingung fordert eine hohe Störsicherheit von natürlichen und menschlichen Systemen, damit auch Krisen gut gemeistert werden können.
  • Die Suffizienz-Bedingung verlangt, mit dem Vorhandenen auszukommen. Dies kann pro Flaushalt oder pro Land, am wichtigsten aber pro Planet betrachtet werden. Wird mehr beansprucht als verfügbar ist, spricht man vom ökologischen Defizit. Effektive Schritte in Richtung Zukunftsfähigkeit entstehen weniger durch maximale Erfüllung einer der Bedingungen, sondern durch die optimale Balance zwischen allen Anforderungen.

FOOTPRINTING

Herstellung, Nutzung und Entsorgung eines Produktes und die Bereitstellung von Dienstleistungen hinterlassen Spuren. Footprinting ist der methodische Versuch, die physischen Auswirkungen über den gesamten Lebenszyklus zu beschreiben und zu messen.

  • Ecological Footprint: misst die bioproduktive Fläche, die für die Erfüllung aller menschlichen Bedürfnisse erforderlich ist und wird in „Global Hektar“ (gha) angegeben. Damit werden die Grenzen der gesamten Biosphäre als Quelle von Ressourcen und Senke für Schadstoffe (z.B. CO2) berücksichtigt.
  • Water Footprint/Virtual Water (Wasserfußabdruck): erfasst die verbrauchte Wassermenge (in Litern) für Produkte und Dienstleistungen. Verfeinerte Methoden berücksichtigen die räumlich und zeitlich begrenzte Verfügbarkeit von Wasser.
  • Carbon Footprint: erfasst die Treibhausgasbilanz von Produkten oder Organisationen. Er gewichtet die Menge an Klimagasen (in kg CO2-Äquivalenten), die entlang der Wertschöpfungskette anfallen. Damit wird der Begrenztheit der Atmosphäre Rechnung getragen, Treibhausgase ohne Klimaveränderung aufnehmen zu können.
  • Material Footprint (Ökologischer Rucksack): misst den Durchsatz der gesamten Materialmengen, die zur Herstellung von Produkten und Dienstleistungen erforderlich sind (kg oder Tonnen Material).
  • Mit dem Environmental Footprint entwickelt die EU-Kommission eine harmonisierte Methodik zur Messung und Vermittlung von unterschiedlichen Umweltauswirkungen und deren Wechselbeziehungen (u.a. Treibhausgase, Wasserverbrauch, klassische Luft- und Wasserschadstoffe). Basis ist das Konsistenz- Prinzip.