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Das waren die Illmitzer Gespräche 2023

Das Nachhaltigkeitsforum ging vom 30. August bis 1. September bereits zum fünften Mal in der burgenländischen Marktgemeinde über die Bühne
Patrick Baldia
Illmitzer Gespräche
Illmitzer Gespräche
© REMG | Zwischen 30. August und 1. September fand die mittlerweile 5. Ausgabe der Illmitzer Gespräche statt

„Sind Politiker überhaupt in der Lage mit Herausforderungen wie dem zunehmenden CO2-Ausstoß, dem Artensterben oder der Bevölkerungsexplosion umzugehen beziehungsweise sie zu bewältigen“, stellte Thomas Malloth, Gründer des Nachhaltigkeitsforums Illmitz, in seiner Eröffnungsrede in den Raum. Dafür, dass dem nicht der Fall ist und unsere Volksvertreter offensichtlich eher in der Momentaufnahme leben würden, nannte der Gründer des Nachhaltigkeitsforums Illmitz zwei Beispiele: das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das zwar vorliegt aber vom Nationalrat noch immer nicht beschlossen wurde und die nach wie vor nicht erfolgte Präzisierung des Erhaltungsbegriffs im Mietrechtsgesetz (MRG).

Im ersten Vortrag der diesjährigen Illmitzer Gespräche ging Andreas Baumgarten, Biologe an der Universität Wien, der Frage nach, ob die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln in Österreich eine Utopie ist und erklärte, wieso der Bodenschutz in diesen Zusammenhang eine zentrale Rolle spielt. Kurz zusammengefasst: Durch Erosion wird binnen weniger Sekunden ein Zentimeter Boden vertragen, dessen Wiederherstellung 100 Jahre dauert. „Selbst wenn es uns gelingt, die wertvollsten Flächen zu erhalten, sind wir maximal zu drei Viertel selbsterhaltungsfähig“, so das ernüchternde Fazit des Experten.

Winzer Umathum: „Geld ist nicht alles“

Wie wichtig ein natürlicher Boden für die Landwirtschaft beziehungsweise den Weinbau ist, unterstrich im anschließenden Vortrag auch Spitzenwinzer Josef Umathum. Dieser gehört neben höchster Produktqualität, sozialer Verantwortung, Freude an der Arbeit und „Geld ist nicht alles“ auch zu seinen fünf persönlichen Erfolgskriterien. „Nichts hat höhere Erträge als die kleinstrukturierte Landwirtschaft“, so der Winzer, der in Frauenkirchen und Jois 45 Hektar Rebfläche bewirtschaftet und seine Weine in 38 Länder exportiert.

Auf kleinere Strukturen setzt seit mittlerweile 35 Jahren auch „Sonnentor“-Gründer Johannes Gutmann. Heute verfügt er über ein weltweites Netz von 1.000 Kleinlieferanten, darunter 80 heimische Bauern, die hinter den rund 900 Produkten im „Sonnentor“-Sortiment stehen. In der auf seinen Vortrag folgende gemeinsame Fragerunde mit Umathum räumte Gutmann ein, dass man auf „großer Ebene“ Nachhaltigkeitszertifizierungen benötige, um den Konsumenten Orientierung zu geben. Eher skeptisch zeigte sich in diesen Zusammenhang Umathum – vor allem, weil er seine Unabhängigkeit nicht verlieren wolle.  

Last Generation: Störaktionen notwendig

„Wir warten nicht auf die Klimakrise, wir stecken mitten drinnen“, so die Sprecherin der „Letzten Generation“, Martha Krumpeck, im Anschluss, nur um hinzuzufügen: „Solange wir uns an kaputte, korrumpierte Regeln halten, werden wir nicht weiterkommen.“ Störaktionen sind nach Einschätzung der Klimaaktivistin notwendig, um die Politik zum Handeln zu bewegen. Sie verweist auf die „Fridays for Future“-Bewegung, der seit vier Jahren "keiner zuhört". Allerdings müsse der Protest der „Letzten Generation“ absolut gewaltfrei sein. „In dem Moment, in dem wir die Hand erheben, haben wir verloren.“

Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf eröffnete den zweiten Tag und gab einen Überblick über die Klima-Initiativen des Landes Burgenland. Dazu zählen unter anderem organische Speicher, Biodiversitäts-Hotspots, das mit 12 Millionen Euro dotierte EU Life Project, Bio-Landwirtschaft im Burgenland (Anteil: 42 Prozent) und das neue Grundwasser-Monitoring-System. Mehr als einmal unterstich die Politikerin in ihrer Präsentation, das Ziel des Burgenlands, bis 2030 klimaneutral zu sein.

Klimaklage gegen Republik

Rechtsanwältin Michaela Krömer gab im Anschluss einen spannenden Einblick in die Klage gegen die Republik Österreich auf Aufhebung von Teilen des Klimaschutzgesetzes, die sie im Namen von 12 Jugendlichen beim Verfassungsgericht einreichte. Dass die „Klimaklage“ vom Verfassungsgerichtshof aus formellen Gründen abgewiesen wurde, mit der Begründung, dass der Antrag zu eng gefasst sei, hält sie jedenfalls nicht davon ab, weiter für die Jugendlichen zu kämpfen. „Wir werden den Antrag nochmals einbringen, diesmal größer gefasst – auch wenn das schwierig ist“, kündigt Krömer an.

Nachdem Stefan Sattler, Leiter des Referats für Erneuerbare Energie und Innovative Energielösungen der Stadt Wien, in seinem Vortrag „Raus aus Gas“ auf die Pläne der Bundeshauptstadt einging, bis 2040 klimaneutral zu sein, wies Politikwissenschafter Patrick Scherhaufer von der Universität für Bodenkultuer (BOKU) eindringlich darauf hin, dass die bloße Schaffung von Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen den Energiebedarf Österreichs nicht decken kann. Vielmehr müsse der Energieverbrauch drastisch gesenkt werden. Schließlich berichtete zum Abschluss des zweiten Tages noch Anton "Toni" Innauer, ehemaliger Skispringer und Trainer, über seine Erfahrungen, wie man gegenüber trägen und etablierten Systemen wie dem internationalen Ski-Verband FIS Veränderungen herbeiführt.

Video-Gruß von Leonore Gewessler

Am dritten und letzten Tag der Illmitzer Gespräche erinnerte nach einer Video-Grußnote von Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, der Historiker und Philosoph Philipp Blom an die „kleine Eiszeit“ vor 400 Jahren. Damals kühlte sich die Erde um 2 Grad Celsius ab, was zu Hungersnöten, sozialen Verwerfungen und Veränderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen führte. Die Folgen: Man begann, empirisch zu arbeiten, Universitäten wurden gegründet, Handel und Produktion professionalisiert und das Bürgertum begann seine Rechte einzufordern.

In weiterer Folge zeigten Kommunalpolitiker im Rahmen des Bürgermeisterforums Best Practice Beispiele auf. Ein kleiner Auszug: In Bad Schallabach gelang es innerhalb kürzester Zeit eine Energiegemeinschaft aufzubauen. In Hittisau wurde unter anderem ein Frauenmuseum eingerichtet. In Moosburg stellte sich der Bürgermeister aktiv gegen das Ortskernsterben. Das Zentrum wurde aktiv belebt, ein Gedenkpfad geschaffen sowie die Schlosswiese als Lebens- und Veranstaltungsraum gerettet. Den Reigen der hochkarätigen Redner bei den Illmitzer Gesprächen beendete schließlich ORF-Anchorman und ZIB-Moderator Tarek Leitner. Sein Credo: „Nicht alles muss nützlich sein, es darf und soll auch schön sein!“

Harald Frey, Stellvertretender Obmann beim Nachhaltigkeitsforum Illmitz und Verkehrswissenschafter an der TU Wien, fasste am Ende für das Organisationsteam noch einmal die Forderungen des Forums zusammen. Es gelte endlich Strategien und Visionen für das Wohl der Gesellschaft anstatt an Einzelinteressen ausgerichtete Maßnahmen zu entwickeln.