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Energie-Contracting: Was gilt, wenn der Anbieter in die Pleite schlittert?

Christine Kary
Christine Kary
Energie-Contracting: Was gilt, wenn der Anbieter in die Pleite schlittert?
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In Oberösterreich ist es vor kurzem passiert: Eine Firmengruppe, die Photovoltaik-Contracting anbietet, musste Insolvenz anmelden. Das macht die Risiken beim Energie-Contracting deutlich. Worauf müssen sich in einem solchen Fall die Vertragspartner einstellen?

Eine effiziente und sparsame Energielösung ohne hohe Investitionskosten: Das versprechen Energie-Contracting-Modelle. Je nach Vertragstyp, übernimmt ein Dienstleister Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb und Instandhaltung einer neuen Anlage („Anlagen-Contracting“). Oder er kümmert sich bei der bestehenden Energie- und Wärmeversorgung um Verbesserungen („Energiespar-Contracting“). Dafür erhält er ein regelmäßiges Entgelt – für den laufenden Bezug von Energie oder Wärme, als Abgeltung für seine Dienstleistungen und die erzielten Einsparungen oder auch als eine Art Leasing-Rate für die von ihm errichtete Anlage.

Typischerweise richten sich solche Angebote an Großverbraucher, z. B. an Industrie- oder Gewerbebetriebe, die auf erneuerbare Energien umsteigen oder Einsparungspotenziale realisieren wollen. Oder auch an Bauträger. Eine gute Idee an sich – und der Bedarf wird tendenziell steigen, allein schon durch die in einigen Bauordnungen vorgesehene Pflicht zur Errichtung von PV-Anlagen bei Neu-, Zu- und Umbauten.

Langfristige Vertragsbindung

Das Risiko dabei: Man bindet sich langfristig an einen Vertragspartner, die Laufzeiten betragen mindestens zehn, oft auch 15 Jahre oder noch mehr. Und in so langer Zeit kann viel schiefgehen – bis hin zur Pleite des Vertragspartners.

Aktuelles Beispiel: Die Insolvenzen der Sun Contracting Gruppe in Oberösterreich. Wie die liechtensteinische Muttergesellschaft, schlitterten auch fünf österreichische Konzerngesellschaften in die Pleite, unter anderem jenes Unternehmen, das die Voestalpine Krems mit am eigenen Standort produziertem Solarstrom beliefert.

Nun hat dieser Fall einige Besonderheiten. Von der Insolvenz sind neben weit über 100 Gläubigern auch Privatanleger betroffen, die über nachrangige Darlehen und Anleihen in den Photovoltaik-Anbieter investiert haben. Sie können ihre Ansprüche nicht im Insolvenzverfahren anmelden und müssen sich auf einen Totalverlust einstellen. Ob und wie sie vielleicht noch zu Schadenersatz kommen können, bleibt abzuwarten, das ist ein Thema für sich. Gegen mehrere Akteure laufen strafrechtliche Ermittlungen.

Wer ist Eigentümer der Anlagen?

In der Öffentlichkeit bislang kaum diskutiert wurde jedoch ein anderer Aspekt, der ganz generell beim Anlagen-Contracting von Bedeutung ist: Welche Folgen hat die Pleite eines Contractors für seine Vertragspartner, für die er die Energie- oder Wärmeversorgung übernommen hat? Was passiert dann mit den Solarpaneelen auf dem Hausdach? Oder mit der Heizungsanlage im Keller?

Die rechtliche Problematik dabei: Hat der Contractor die Anlage auf eigene Kosten errichtet, behält er sich üblicherweise das Eigentum daran für die Vertragslaufzeit vor. Die dafür benötigten Flächen oder Räume mietet er meist von seinem Vertragspartner an. Was gilt dann aber im Fall einer Insolvenz? Muss der Liegenschaftseigentümer „seine“ Anlagen womöglich aus der Insolvenzmasse herauskaufen? Oder überhaupt befürchten, dass sie wieder abgebaut werden?

Gespräche mit Rechtsexperten bestätigen es: Ganz von der Hand zu weisen sind solche Befürchtungen nicht. Im Fall einer Pleite des Contractors hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Er kann in den Vertrag eintreten – dann läuft vorerst alles weiter wie gehabt, und im besten Fall kommt es zu einer dauerhaften Fortführung des Unternehmens. Oder aber er löst die bestehenden Verträge auf. Und dann wird es beim Energie-Contracting tatsächlich schwierig.

Welche Regeln gelten für die Vertragsauflösung?

Entscheidend ist dann, wie der jeweilige Vertrag ausgestaltet ist. Stehen Errichtung und Betrieb der Anlage für den Vertragspartner im Vordergrund? Oder überwiegen vielleicht doch die Elemente des Mietvertrags, zum Beispiel, weil der Dienstleister auf der angemieteten Fläche Energie für den Markt erzeugt und die Contracting-Leistungen, die er für den Liegenschaftseigentümer erbringt, nur ein Nebenaspekt der Vertragsbeziehung sind?

Je nachdem kommen unterschiedliche Regelungen der Insolvenzordnung (IO) zur Anwendung, erläutert Rechtsanwalt Thomas Kurz, Insolvenzrechtsexperte und Partner bei Haslinger Nagele. Im ersteren Fall kann der Insolvenzverwalter nach § 21 IO vom Vertrag zurücktreten. Im zweiteren Fall würde dagegen die Spezialbestimmung für die Kündigung von Bestandverträgen greifen (§ 23 IO).

Der wesentliche Unterschied: Bei einem Vertragsrücktritt nach § 21 IO werden zwar keine weiteren Leistungen mehr erbracht. Eine Rückabwicklung dessen, was bisher schon erbracht wurde, ist aber grundsätzlich nicht vorgesehen. Laut OGH-Judikatur kann der Insolvenzverwalter bereits erbrachte Leistungen nur insoweit zurückfordern, „als der Vertragspartner unter Berücksichtigung der wechselseitigen Ansprüche und Leistungen auf Kosten der Insolvenzmasse bereichert wäre“ (9 Ob 40/16x).

Bereicherungsrechtlicher Anspruch der Masse

Für die am Dach montierten Solarpaneele hieße das dann in der Praxis wohl, „dass sie dort bleiben, dass aber eventuell ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Masse entsteht“, sagt Kurz. Der Gebäudeeigentümer würde dann schon früher Eigentümer der Anlage als ursprünglich geplant, müsste aber eine Ausgleichszahlung an die Masse leisten und sich um den weiteren Betrieb selbst kümmern.

Wäre der Vertrag jedoch (ausnahmsweise) überwiegend als befristeter Bestandvertrag zu qualifizieren, kämen andere Regelungen zum Tragen. Der Insolvenzverwalter könnte den Vertrag dann vorzeitig kündigen. Das hätte zur Folge, dass – um beim Beispiel zu bleiben – Solarpaneele, die auf der gemieteten Dachfläche installiert wurden, tatsächlich wieder abgebaut werden könnten. Der Vermieter könnte dann zwar allenfalls Schadenersatz verlangen. Zu beachten ist dabei aber, dass solche Ansprüche Insolvenzforderungen sind, die im Insolvenzverfahren anzumelden sind. Unter welchen Voraussetzungen der Vermieter allenfalls ein Pfandrecht geltend machen und so die Demontage der Anlage fürs Erste verhindern könnte, ist ein anderes Thema und würde hier den Rahmen sprengen.

Wieder anders wäre die rechtliche Situation, wenn es z. B. um eine fix installierte, komplette Heizungsanlage samt Leitungen geht. Diese ist wohl Zubehör des Gebäudes geworden. „Damit ist sie ein unselbstständiger Bestandteil der Liegenschaft“, sagt Kurz. Allgemeine Aussagen, ob ein Eigentumsvorbehalt rechtswirksam begründet wurde oder nicht, sind jedoch kaum möglich, dafür muss jeder Einzelfall beurteilt werden.

Einigung mit dem Insolvenzverwalter

Aber könnte man all diese Zweifelsfragen nicht von vornherein vermeiden, indem man in den Vertrag auch Vereinbarungen für den Insolvenzfall aufnimmt? Das ist schwerlich möglich, dem stünde auch das Insolvenzrecht entgegen. „Höchstens könnte man als Liegenschaftseigentümer versuchen zu erreichen, dass man sofort Eigentümer der Anlage wird“, sagt Rechtsanwalt Berthold Lindner, Partner der unter anderem auf Umwelt- und Energierecht spezialisierten Kanzlei Lindner Stimmler.

Dass der Energiedienstleister mit einer solchen Regelung einverstanden wäre, ist freilich kaum zu erwarten. Und, um Missverständnissen vorzubeugen: Dessen Interesse, sich für die lange Vertragslaufzeit rechtlich abzusichern, ist ebenso legitim.

Fazit: Sofern der Vertrag nicht aufrecht bleibt, wird es praktisch immer darauf hinauslaufen, dass der Liegenschaftseigentümer versuchen muss, sich mit dem Insolvenzverwalter zu einigen. Und das sollte in den meisten Fällen auch gelingen, meint Lindner – zumal sich eine Demontage der Anlage, selbst wenn sie rechtlich möglich ist, aus Sicht der Gläubiger selten rentieren würde. Um auf die Solarpaneele am Hausdach zurückzukommen: Diese wieder abzubauen, „ist aufwendig und teuer“, sagt Lindner. „Und der Wertverfall kommt dazu.“

Das sollte ein „Herauskaufen“ leistbar machen. Ein schwacher Trost, aber immerhin.