Was ist passiert?
Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht ein Feuerversicherungsvertrag. Der Versicherungsnehmer ist Miteigentümer / Wohnungseigentümer des versicherten Wohnhauses.
In der Nacht zum 30.10.2021 brach im Wohnhaus ein Brand aus, der durch eine vom Versicherungsnehmer angezündete, unbeaufsichtigte Kerze, die er auf dem Couchtisch neben brennbarem Material abgestellt hatte, ausgelöst wurde. Der Versicherungsnehmer hatte zuvor seine gesamte Wochenration an Medikamenten überdosiert eingenommen, um sich in einen Rausch zu versetzen, und war im Wohnzimmer neben der Kerze eingeschlafen. Vom Strafgericht wurde er wegen fahrlässiger Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) verurteilt.
Der Versicherer forderte daraufhin vom Versicherungsnehmer Regress (Zahlung von über 4 Mio. Euro), da er den Versicherungsfall zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 22.10.2025, Aktenzeichen: 7 Ob 119/25p führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass der Versicherungsnehmer als Mit- und Wohnungseigentümer in Bezug auf die Gebäudeversicherung Versicherter und kein "Dritter" im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG sei. Ein Regressanspruch des Versicherers ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 61 VersVG (Leistungsfreiheit des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit des Versicherten) möglich.
Das Anzünden einer Kerze ohne Schutzmaßnahmen in einer "Messie-Wohnung" und das anschließende Einschlafen im Rausch stellt nach Ansicht des OGH zwar grundsätzlich einen objektiv besonders schweren Sorgfaltsverstoß dar (grobe Fahrlässigkeit). Da jedoch dem Versicherungsnehmer der Nachweis gelang, dass er im Zeitpunkt der unmittelbaren schädigenden Handlung zurechnungsunfähig war, könne ihm dieses Verhalten subjektiv nicht vorgeworfen werden.
Das für einen Regressanspruch erforderliche qualifizierte Verschulden müsse daher in einem zeitlich früheren Verhalten liegen, als der Versicherungsnehmer noch schuldfähig war. Im vorliegenden Fall konnte jedoch der Versicherer keine konkreten Umstände beweisen, dass sich dem Versicherungsnehmer bereits bei der Medikamenteneinnahme (am Morgen, über 10 Stunden vor dem Brand) in besonderem Maße die Möglichkeit aufdrängen musste, dass er später im Rausch aufgrund einer defekten Glühbirne eine Kerze anzünden und dadurch einen Brand verursachen würde. Der Beweis der grob schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalls durch ein zeitlich früheres, schuldfähiges Verhalten ist dem Versicherer somit nicht gelungen, weshalb die Klage des Versicherers abgewiesen wurde.
Schlussfolgerungen
Dazu Rechtsanwalt Roland Weinrauch: „Die Voraussetzungen für einen Regressanspruch nach § 61 VersVG gegen einen schuld- und zurechnungsunfähigen Versicherungsnehmer setzt voraus, dass dieser den Rauschzustand grob schuldhaft herbeigeführt und er im noch schuldfähigen Zustand damit gerechnet oder grob schuldhaft vernachlässigt hat, dass er später – im Rausch – einen Versicherungsfall (Brand) herbeiführen könnte“.