bulwiengesa erstellt zweimal im Jahr volkswirtschaftliche Prognosen und leitet Kennzahlen für die verschiedenen Immobiliensegmente ab. Demnach führen die konjunkturhemmenden Faktoren wie Anstieg von Zinsen, Inflation und Baupreisen sowie die Lieferkettenproblematik weder flächendeckend, noch bei allen Immobilienarten zu Schwierigkeiten. Auch das Deutsche Hypo Immobilienklima steigt im November zuletzt wieder leicht an; nach einem historischen Tief im Oktober sind die befragten Akteure wieder etwas optimistischer
Der Höhepunkt des Zinsanstiegs wird gegen Mitte/Ende 2023 erwartet. Mittelfristig wachsen weiterhin die Inflationsrisiken, vor allem durch die verteuerten Energieprodukte, die auch die Immobilienwirtschaft belasten. Die Auswirkungen der nachlassenden Konjunktur zeigen sich bereits im Projektentwicklermarkt: So verzeichneten die Trading Developments, also die klassischen Entwicklungen zum Verkaufszweck, mit -8,3 % (A-Städte, Analysejahre 2010-22) den stärksten Rückgang seit der Finanzkrise.
Logistikimmobilien als Stabilitätsanker
Oliver Rohr, Teamleiter Büro- und Logistikimmobilien bei bulwiengesa: „Der Markt für Logistikimmobilien wird auch künftig verstärkt mit Reshoring, Nearshoring und Auswirkungen des Krieges in der Ukraine dynamisch bleiben. Die hohe Flächennachfrage bleibt bestehen. Obwohl geeignete Logistik-Flächen vor allem in den Ballungsräumen fehlen, steigt das Neubauvolumen nach einer coronabedingten Delle wieder an. Viele Entwickler weichen in vormals weniger attraktiven Lagen aus. 2023 wird der Flächenneuzugang die 6-Mio.-qm-Marke knacken.Wir prognostizieren ein weiteres Mietwachstum, in der Spitze und an den Top-Standorten bis zu 25 %. Kurzfristig werden die Renditen deutlicher zulegen. Zum Prognosehorizont 2026 wird der Anstieg abflachen bzw. werden sich die Renditen stabilisieren.“
Wohnimmobilien: hoher Bedarf, gesunkene Erschwinglichkeit
Heike Piasecki, Bereichsleiterin Wohnen bei bulwiengesa: „Eine Prognose des Wohnimmobilienmarktes setzt einen Blick auf die Bevölkerungsentwicklung voraus: Im ersten Halbjahr 2022 ist die Einwohnerzahl Deutschlands erstmals auf über 84 Millionen Menschen gestiegen. Ende Juni 2022 lebten in Deutschland 843 000 Personen mehr als zum Jahresende 2021, was größtenteils an der Zuwanderung insbesondere aus der Ukraine liegt. Zugleich werden weniger Wohnungen fertiggestellt als von der Politik geplant – wohl eher 250.000 anstatt 400.000. Für die Nachfrageentwicklung wird der demografische Wandel bestimmend sein. Ganz besonders betrifft das den Markt für Seniorenwohnen – bis 2040 fehlen rund 470.000 Wohneinheiten. Bedarf und Nachfrage sind im Wohnungsmarkt unverändert vorhanden. Erstmals seit Jahren zeichnet sich jedoch eine Trendwende bei den Preisentwicklungen ab. Zugleich verschlechtert sich die Erschwinglichkeit durch die hohe Inflation. Die Mieten werden weiter steigen, aber selbst die leicht sinkenden Preise für Eigenheime bringen Wohnungssuchenden wenig: Zum einen stellen Projektentwickler Projekte zurück und verringern damit perspektivisch das Angebot, zum anderen verteuern die gestiegenen Zinsen deutlich die Finanzierungen.“
Büromarkt besser als von vielen erwartet
Alexander Fieback, Teamleiter Büro- und Logistikimmobilien bei bulwiengesa: „Der Büromarkt hat sich trotz einiger Krisen als erstaunlich robust erwiesen. Lediglich am Investmentmarkt ist es ruhiger geworden – die Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern kommen oftmals nicht zusammen, die Findungsphase hält an.
Ein Blick auf die A- und B-Städte zeigt, dass die Zahl der Bürobeschäftigten nicht zurückgegangen ist, im Gegenteil. In den A-Städten steigt sie in den nächsten vier Jahren weiterhin an, lediglich in den B-Städten flacht das Wachstum ab. Allerdings wird in den noch kleineren Städten mittelfristig der demografische Wandel teilweise für einen Rückgang sorgen. Auf der Angebotsseite steigen noch bis 2024 die Fertigstellungen an, mittelfristig baut sich die Pipeline ab. Der Leerstand steigt in den nächsten Jahren weiter an, ausgehend allerdings von einem sehr niedrigen Niveau in den A- und B-Städten. Wir kommen damit wieder in einen Bereich einer Fluktuationsreserve. Mieter und Vermieter können wieder auf Augenhöhe verhandeln. Büros werden auch weiterhin gebraucht, wenn auch mit leicht veränderten Konzepten. Nicht mehr wegzudenken ist das Thema ESG, das den Investmentmarkt bereits bestimmt – und sukzessive auch den Vermietungsmarkt. Die Renditespreizung zwischen Core und Non-Core wir auch dadurch weiter zunehmen.“
Handelsimmobilien: weniger Development, mehr Managment
Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel: „Der stationäre Handel hat in den letzten Jahren massive Krisen weggesteckt. Mit dem richtigen Konzept hat er auch künftig Erfolg, selbst unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Die Inflation ist hoch und die Konsumlaune gedämpft. Erstmals ist auch der Onlinehandel nicht mehr der natürliche „Krisengewinner“. Gegenüber 2021 ging der Umsatz des Versand- und Internethandels um 2,3 % zurück, allerdings ragt im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ein Plus von real gut 30 % heraus.
Bei den Mietentwicklungen in den Innenstädten zeigen sich Marktkorrekturen: Trotz des Anstiegs der nominalen Spitzenmieten werden die Spitzenmietniveaus der Jahre 2015 bis 2017 im Verlauf der nächsten vier Jahre nicht wieder erreicht. Und bereits vor Corona setzte der Renditeanstieg für Highstreet- Objekte ein. Dieser Trend verfestigt sich. Bei fast allen Eigentürmern steht aktuell die Neupositionierung im Fokus. Bestandshalter müssen sich ebenso wie Projektentwickler intensiver mit Umbau im Bestand, Optimierung des Flächen- und Branchenmix oder der Erweiterung um Nicht-Einzelhandelsnutzung auseinandersetzen. Die developmentgetriebene Phase geht über in eine, in der exzellentes Asset- und Centermanagement den Erfolg bestimmt. Um die intensive, versierte Auseinandersetzung mit dem Bestand kommt niemand mehr herum.“