Bei Wohnimmobilien gibt es dieses Streitthema nicht, bei gewerblichen Bestandverträgen kommt es dafür umso öfter vor: dass man sich uneins ist, was für einen Vertrag man überhaupt abgeschlossen hat. Liegt Unternehmenspacht vor? Oder Geschäftsraummiete?
Auf den ersten Blick erkennbar ist der Unterschied oft nicht, in beiden Fällen führt der Bestandnehmer an dem Standort einen Betrieb. Aber handelt es sich dabei um das Unternehmen des Bestandgebers? Dann liegt Unternehmenspacht vor. Oder wurden dem Bestandnehmer bloß die Räumlichkeiten zur Nutzung überlassen, und er betreibt dort sein eigenes Geschäft? Dann ist es Miete.
Und das ist keine bloße Formalität: Je nach Vertragstyp sind die Rechtsfolgen verschieden. Bei der Geschäftsraummiete geht es um ein reines Benützungsrecht, ähnlich wie bei einer Wohnung. Im Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes gilt auch der gesetzliche Mieterschutz.
Betrieb auf eigene Rechnung
Pächter dagegen dürfen – und sollen – das Pachtobjekt bewirtschaften, auf eigene Rechnung und weitgehend auf eigenes Risiko. Was Letzteres in der Praxis bedeuten kann, bekamen viele während der Pandemie zu spüren: Anders als Mieter, mussten (längerfristige) Unternehmenspächter bei behördlichen Betriebseinschränkungen den Pachtzins in voller Höhe weiterzahlen. Und nicht nur in einem Ausmaß, das den verringerten Nutzungsmöglichkeiten entsprach, wie es § 1105 ABGB für Mietverträge (und Kurzzeit-Pachtverträge) vorsieht. Wobei die Pächter aber trotzdem – genau wie Mieter – Covid-Förderungen für den Bestandzins nur anteilig in Anspruch nehmen konnten.
Kein Wunder, dass gerade in dieser Zeit viele Streitfälle vor Gericht landeten, in denen es um die Frage ging, ob überhaupt ein Pachtvertrag vorliegt. Oder ob „Pacht“ bloß in der Vertragsurkunde steht, während es sich in Wahrheit um Geschäftsraummiete handelt. Aber auch sonst kommen solche Rechtsstreitigkeiten immer wieder vor, und in der Praxis erweist sich die Abgrenzung tatsächlich oft als schwierig.
Es geht um ein lebendes Unternehmen
Entsprechend umfangreich ist inzwischen die Judikatur. Als Kriterium für das Vorliegen eines Pachtvertrags gilt es demnach etwa, dass dem Pächter ein „lebendes Unternehmen“ übergeben wird und dass er sich vertraglich verpflichtet, dieses weiterzubetreiben (Betriebspflicht).
Eine im November ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 146/25i) bekräftigt nun ein weiteres, grundlegendes Kriterium: „Der OGH spricht dankenswerterweise klar aus, dass bei Beendigung einer Unternehmenspacht grundsätzlich ein lebendes Unternehmen zurückzustellen ist, und zwar in einem Zustand, der es dem Verpächter ermöglicht, es weiterzuführen“, sagt Rechtsanwalt Alfred Nemetschke.
Im Anlassfall für die Entscheidung wurde das zwar nicht zur Gänze erfüllt. „Aber der Sachverhalt kam dem im Ergebnis zumindest sehr nahe“, sagt Nemetschke. Und weil es in Zweifelsfällen darauf ankommt, ob in einer Gesamtbetrachtung die Elemente eines Miet- oder eines Pachtvertrages überwiegen, reichte das aus, um das Vertragsverhältnis dann doch als Pacht zu qualifizieren.
Separater „Übertragungsvertrag“?
Worum ging es in dem Fall? Eine GmbH hatte eine Liegenschaft gemietet und dort ein Hotel betrieben. Dieses hatte sie im März 2014 einer anderen Gesellschaft in Bestand gegeben. Dafür schloss man jedoch zwei separate Verträge: einen langfristigen „Hotelpachtvertrag“ bis 30. September 2038 – wobei vereinbart war, dass dieser auch früher enden könne, sollte der Mietvertrag über die Liegenschaft vorher auslaufen. Und einen „Kauf- und Übertragungsvertrag“ hinsichtlich des Hotelbetriebs. Dieser umfasste den Kundenstamm, die technische und kaufmännische Dokumentation, das bewegliche Anlagevermögen und die Warenvorräte. Ausdrücklich ausgenommen waren die Rechte an der Marke, unter der das Hotel geführt wurde. Diese behielt sich die Bestandgeberin auch für die Vertragslaufzeit vor.
Vereinbart war auch eine Betriebspflicht für das Hotel. Und ebenso, dass die Pächterin den Hotelbetrieb an die Verpächterin retournieren müsse, sollte der Pachtvertrag vorzeitig enden.
Gestritten wurde dann darüber, wie der Bestandvertrag zu qualifizieren sei. Die Bestandnehmerin meinte, es handle sich nicht um Pacht, sondern lediglich um einen (Unter-)Mietvertrag über die Geschäftsräumlichkeiten. Schließlich habe sie ja die Rechte am Hotelbetrieb separat „gekauft“.
Vor Gericht setzte sie sich damit jedoch nicht durch. Das Berufungsgericht kam zum Schluss, es liege trotz allem ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, das überwiegend Elemente einer Unternehmenspacht aufweise.
Ist nach Vertragsablauf ein Weiterbetrieb möglich?
Und dabei blieb es auch, der OGH wies die außerordentliche Revision der Bestandnehmerin zurück. Ein wesentliches Kriterium für das Vorliegen von Pacht ist es demnach, dass die Verpächterin die Möglichkeit hat, das von ihr aufgebaute Unternehmen bei Beendigung des Pachtverhältnisses wieder selbst weiterzuführen. Im konkreten Fall wurde das im Ergebnis bejaht. Auch dass die Verpflichtung, ein lebendes Unternehmen zu retournieren, nur für den Fall eines vorzeitigen Vertragsendes ausdrücklich festgeschrieben war, änderte daran letztlich nichts. Immerhin habe die Verpächterin die Markenrechte behalten, und alles in allem sei vertraglich sichergestellt, dass sie ihren Betrieb in einem Zustand zurückerhalten werde, der ihr eine Fortführung ermögliche, heißt es sinngemäß in der Entscheidung.
Dass es ganz wesentlich auf die Rückstellung eines lebenden Unternehmens ankommt, dürfte nun auch für andere Zweifelsfälle richtungsweisend sein. Bleibt zu hoffen, dass die Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht durch diese Klarstellung um einen Tick einfacher wird.