Zwei bis drei Tage Homeoffice wünschen sich die meisten deutschen Büroangestellten. Die Auswirkungen geringerer Präsenz in den Unternehmensräumen war Thema einer Online-Pressekonferenz mit der Professorin für Städtebau Angela Mensing-de Jong von der Technischen Universität Dresden; Matthias Höppner, Managing Director von RecToCon Deutschland; Alexander Lackner, Geschäftsführer von neworld; Dr. Simon Kempf, Geschäftsführer der DLE Land Development und Sven Lintl, Leiter Asset Management Deutschland bei Union Investment Real Estate. Demnach stehen wir am Beginn einer Transformation, die zahlreiche Herausforderungen für Immobilieneigentümer, -manager und -investoren, aber eben auch Chancen für den Städtebau und die Entwicklung von Quartieren mit sich bringen wird.
„Die Frage nach der Möglichkeit zum Homeoffice kommt von Bewerbenden heute noch vor dem Gehaltswunsch“, sagt Matthias Höppner vom Personalberatungsunternehmen RecToCon Deutschland. „Bevorzugt werden Regelungen mit zwei bis drei Homeoffice-Tagen pro Woche, ohne feste Vorgaben.“ Besonders Frauen mit Kindern wollten maximale Flexibilität bei der Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Operativ tätige Mitarbeitende würden sich eine genaue Einhaltung einmal gemachter Zusagen wünschen, während für Führungskräfte der Kontakt zum Team entscheidend für den Erfolg und ein erfülltes Berufsleben seien. Daher spiele Homeoffice in Leitungsfunktionen eine eher untergeordnete Rolle.
Homeoffice birgt Risiken für Mitarbeitende und Gesundheitssystem
Einer der Einwände, gegen das Homeoffice ist, dass die Arbeitssituation zu Hause oft nicht den rechtlichen Anforderungen an einen Arbeitsplatz genügt. „Wir haben in Deutschland eine Arbeitsstättenverordnung, die Abstände, Beleuchtung, zulässige Raumtemperatur und vieles mehr bis ins Kleinste regelt“, sagt Simon Kempf. „Und wehe, ich verstoße als Arbeitgeber gegen eine der Auflagen und ein Mitarbeiter wendet sich an Betriebsrat oder Berufsgenossenschaft. Aber wie im Homeoffice, Work-from-home oder wie man es auch bezeichnet, gearbeitet wird, kümmert niemand und ich fürchte, dass dies demnächst für erhöhten Behandlungsbedarf und gesellschaftliche Folgekosten sorgen wird.“
Bezogen auf Immobilien und Stadtentwicklung führen wachsende Homeofficequoten in den Unternehmen zunächst zu steigenden Büroleerständen sowie zu geringeren Fußgängerfrequenzen in den Innenstädten, sagt Angela Mensing-de Jong von der Technischen Universität Dresden. Aus städtebaulicher Sicht seien daher zunächst die Ebene 0 und damit auch der stationäre Einzelhandel und Restaurants von der geringeren Präsenz der Mitarbeitenden betroffen. Alexander Lackner von neworld bestätigt dies. In dem Gastronomiekonzept The Klub Kitchen von neworld werden gute Umsätze dienstags bis donnerstags erzielt. Insbesondere der Freitag falle stark ab.
Büro bleibt Ankernutzungsart der Innenstädte
Sven Lintl, Leiter Asset Management Deutschland von Union Investment, sagt: „Wir können unsere Städte nicht ohne Büros und Büroarbeitende denken. Die gemischt-genutzte Innenstadt ist nicht nur attraktiver für ihre vielfältigen Nutzer, sondern auch widerstandsfähiger, da die unterschiedlichen Nutzungsarten von der direkten Nähe zueinander profitieren. Zwar werden die Büro-Kapazitäten in Folge des zunehmenden Arbeitens im Homeoffice leicht angepasst – doch moderne, hochwertige Büroflächen sind nach wie vor gefragt und ein wichtiger Baustein, damit sich das wirtschaftliche Potenzial zentraler urbaner Lagen entfalten kann. Bezogen auf ihre Nutzung müssen sie künftig jedoch noch flexibler werden.“
Lintl sieht in einem attraktiven Nutzungsmix sowie in der Anpassung an moderne Nutzungsanforderungen einen entscheidenden Schlüssel für hohe Vermietungsstände – auch von älteren Büros. Im von Union Investment gemanagten Chilehaus von 1924 und in 2022/23 repositionierten TRIIIO Hamburg, dem ehemaligen Sitz der Reederei Hamburg-Süd von 1964 sind 98,5 beziehungsweise bereits wieder 90 Prozent der Flächen vermietet. In Wandsbek transformiert Union Investment die Karstadt-Immobilie mit 45.000 m² Mietfläche und schafft dabei neben Einzelhandel, privater Hochschule auch 100 Wohnungen. Der Umbau älterer Büroimmobilien in dringend benötigten Wohnraum sei jedoch sehr kostenintensiv und könne daher nur in Einzelfällen realisiert werden, so Lintl
Umbau zu klassischem Wohnraum wirtschaftlich selten attraktiv
Näher als der aufwendige Umbau von Büros zu klassischen Wohnungen liegen die Beibehaltung der Gewerblichkeit und die Realisierung von Serviced Apartments und Co-Living-Projekten, sagt Alexander Lackner, Geschäftsführer von neworld. Das Unternehmen investiert in innovative Immobilienkonzepte, die das menschliche Zusammenleben der Zukunft prägen: von Kindergärten, Co-Living, Serviced Apartments, Flex-Office, Gastronomie bis hin zu Senior Living Living. neworld ist unter anderem beteiligt an The Base, einem innovativen Co-Living-Anbieter, der in Berlin-Pankow in einem ehemaligen DDR-Bau vom Büro zum Haus für Long-Stay-Aufenthalte von bis zu einem halben Jahr umgebaut hat. Die 318 Apartments sind nahezu durchgehend zu 100 Prozent ausgebucht, was für die hohe Nachfrage nach neuen Produkten spricht.
Büros in B-Lagen anderen Nutzungen zuzuführen, sieht Lackner als Notwendigkeit, um Leerstand und Abriss zu vermeiden. Hier sind neben den Investoren auch Politik und Banken gefragt, um die Herausforderungen langfristig zu stemmen. „Der Trend hin zu wieder mehr Präsenzzeiten im Büro bedeutet nicht, dass der klassische Büroarbeitsplatz überall wieder zurückkehrt. Büronutzer verlangen eine hohe Flexibilität hinsichtlich Mietdauer, Flächengröße und Ausstattung. Flex Office Anbieter wie Scaling Spaces bieten für diese veränderte Nachfragesituation das passende Angebot und eine mögliche Alternative zum klassischen Büro" so Lackner. Voraussetzungen dafür seien, eine gute Infrastruktur und eine attraktive Ausstattung der Flächen sowie gewisse Service Komponenten, wie bspw. Möglichkeiten zu sportlicher Betätigung, Events und Gemeinschaftsaktivitäten. Auch ein Mindestangebot an Snacks und Getränken sowie sind heute für viele Mitarbeiter unverzichtbar. Um die gewünschte Anziehungskraft an möglichst vielen Tagen in der Woche zu erreichen, seien zudem eine gute Verkehrsanbindung, Parkmöglichkeiten, nachhaltige Gebäude und die Nähe zum Wohnort der Mitarbeitenden unabdingbar.
Umlandentwicklungen profitieren
Die räumliche Nähe von Wohnen und Arbeiten spielt auch in der Planung neuer Umlandquartiere eine wachsende Rolle, bestätigt Dr. Simon Kempf, Geschäftsführer der DLE Land Development GmbH (DLE). Sein Geschäftsmodell profitiert vom wachsenden Flächenbedarf der Haushalte. „Homeoffice führt zu mehr Wohnraumbedarf“, sagt Angela Mensing-de Jong. Der Wunsch nach einem Arbeitsplatz verschärfe den Engpass auf den Wohnungsmärkten in den Ballungszentren. Das führe wiederum zur Dezentralisierung und zum Umzug in kostengünstigere Stadtrandzonen oder sogar ländliche Bereiche.
Die DLE entwickelt unter anderem in Bad Vilbel bei Frankfurt ein gemischtes Quartier mit 240.000 Quadratmetern BGF, davon 190.000 Quadratmeter für Gewerbe und sonstige Nutzungen, von denen 5.000 Quadratmeter als Microoffice zum Kauf oder zur Miete vorgesehen sind, so dass Mitarbeitende über ein externes Büro in der Nähe ihres Wohnortes verfügen können. „Bad Vilbel ist Teil des Großraums Frankfurt und von dort in gut einer Viertelstunde mit der S-Bahn zu erreichen“, sagt Kempf. „Da Studien zu Folge insbesondere die Mitarbeitenden aus dem Finanzsektor vergleichsweise viele Homeoffice-Tage in Anspruch nehmen, bauen wir ihnen hier ein zweites Büro mit bester Infrastruktur, so dass sie Kreditanfragen und Transaktionen nicht zu Hause am Küchentisch prüfen müssen.“
Kempf sieht einen starken Impuls, der vom Homeoffice für seine Tätigkeit ausgehen wird. „Wir entwickeln oft als reine Gewerbegebiete geplante Areale im Umland der großen Städte, so in Kerpen in der Nähe von Köln oder in Königs Wusterhausen bei Berlin. Dort streben wir in der Regel eine Mischnutzung mit adäquater sozialer Infrastruktur sowie mit vielfältigen Investitionen in die ökologische Nachhaltigkeit an. Diese Wohnungen werden natürlich attraktiver, wenn die künftigen Bewohner nicht mehr täglich zur Arbeit ins Büro müssen.“
Chancen sieht Angela Mensing-de Jong auch für innerstädtische Quartiere durch eventuell rückläufige Gewerbemieten insbesondere in den Erdgeschossen. Dort könnten gemeinschaftlich nutzbare Räumlichkeiten für Co-Working, Werkstätten und Vereine entstehen. In der Folge gäbe es auch eine attraktivere Mischung und Möglichkeiten für die Etablierung unterschiedlicher Wohn- und Arbeitsformen.