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Kreislaufwirtschaft: Bau- und Immobilienbranche ist der Politik voraus

Die heimische Bau- und Immobilienbranche sucht längst nach Wegen, um Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft möglichst umfassend umzusetzen - trotz zahlreicher Hürden, auch im administrativen und gesetzlichen Bereich, wie aus einer Expertendiskussion zum Thema Kreislaufwirtschaft hervorgeht, zu der Drees & Sommer lud
Patrick Baldia

Ob Errichtung, Nutzung und Rückbau neuer Gebäude, Entwicklung kreislauffähiger Materialien oder Sanierung von Bestandsgebäuden und Wiederverwertung der in diesen verbauten Materialien: An Kreislaufwirtschaft führt kein Weg vorbei. „Eine Zeit lang hat sich die Bau- und Immobilienbranche eher an diesbezüglichen Mindeststandards orientiert. Mittlerweile aber ist sie ein wesentlicher Treiber und sieht Kreislaufwirtschaft als Chance an. Die EU-Taxonomie, die sich selbst laufend agil und flexibel weiterentwickelt, hat sicherlich wesentlichen Anteil an diesem Umschwung“, attestiert etwa Anna-Vera Deinhammer von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft ÖGNI. Laut Karl Koschek von AllesWirdGut Architektur setze sich in der Branche erfreulicher Weise immer mehr das Verständnis durch, dass es für Kreislaufwirtschaft auch einen neuen Zugang und ein ganzheitliches Denken braucht. Bestehende Modelle und Pläne einfach mit nachhaltigen Materialien umzusetzen, gehe nicht. „Kreislaufwirtschaft beginnt bei der ersten Skizze, schließt neue digitale Planungstools ein und muss über die Lebensdauer eines Gebäudes hinausreichen“. Sollen wiederum Bestandsgebäude rückgebaut werden, kommen neue Herausforderungen hinzu. Zahlreiche verbaute Materialien seien Kompositstoffe, die sich nicht sinnvoll trennen lassen, andere Stoffe dürften Deponien heutzutage gar nicht mehr annehmen. Hier kommt auch das Urban Mining an seine Grenzen. Einzige Alternative in solchen Fällen: Sanieren.

Materialien der Zukunft

Umso mehr appelliert Christoph Löffler, Kreislaufwirtschaftsexperte von EPEA part of Drees & Sommer in Österreich, die Zusammenarbeit mit Produktentwicklern und -herstellern zu intensivieren und damit Kreislauffähigkeit für die Zukunft zu erleichtern. „Geht es um die Nachhaltigkeit von Baumaterialien, müssen wir deren gesamten Lebenszyklus sowie die Um- und Nachnutzung dieser Materialien und der Gebäude, in denen sie verbaut sind, berücksichtigen. Sonst sitzt man eines Tages auf Unmengen an Materialien, mit denen man nichts anfangen kann, die hohe Deponiegebühren verursachen oder die, entsprechend der Recycling-Baustoffverordnung, gar nicht mehr entsorgt werden können“,so Löffler. Sollte dieEU-Taxonomie sich eines Tages dahin entwickeln, dass auch Abbruch und Rückbau von Gebäuden in die Unternehmens-Bilanz aufzunehmen sind, wären solche Bauten nicht nur für Investoren unattraktiv.

Politik als Nachhaltigkeitspartner

Diese Frage stellt sich auch Manuel Fegerl von KPMG Österreich. Nachhaltige Gebäude und die darin verbauten, wiederverwertbaren Materialien könnten durchaus als Wertanlage und Investition gesehen werden. Ebenso weist er auf die potenziell höheren Kosten von Neubauten hin, welche Taxonomie- und ESG-Bestimmungen entsprechen. „Diesen Kosten können wir jedoch Mieter:innen gegenüberstellen, die aus Überzeugung bereit sind, für eine nachhaltige Wohnung mehr zu bezahlen, oder auch geringeren Betriebskosten“.

Vor allem aber brauche es für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft die Unterstützung des Gesetzgebers. So mache etwa die Wohnbauförderung keinen Unterschied zwischen „konventionellen“ Bauten und solchen, welche Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft berücksichtigen. „Spätestens seit der EU-Taxnomie ist deutliche Bewegung in der Bau- und Immobilienbranche, die Politik hinkt mit ihrem Engagement im Vergleich dazu zuweilen hinterher. Wollen wir den Turnaround schaffen, brauchen wir auch in diesem Bereich mehr Dynamik“, so Karl Koschek.

Als ein gelungenes Beispiel für zeitgemäße Quartiersentwicklung präsentierte Michael Sandriesser, Head of ESG bei STC Development, in dessen Räumen die Expertendiskussion stattfand, das Projekt Kempelenpark. Auf dem ehemaligen Siemens-Betriebsgelände ist in den nächsten Jahren ist eine phasenweise Nutzungstransformation geplant, in welcher aus einem reinen Gewerbestandort ein zukunftsweisendes, gemischtes Quartier mit Schwerpunkt Wohnen mit insgesamt 135.000 m² BGF entstehen soll. Herzstück des neuen Projekts ist die etwa 1 ha große, öffentlich zugängliche Parkfläche, um welche sich künftig neben der Wohnungen, auch eine Schule und ein Kindergarten sowie Gewerbeflächen, anordnen werden.