„Angesichts der Umweltauswirkungen des Bau‐ und Immobiliensektor, schwindender und sich verteuernder Rohstoffressourcen sowie des Green Deals und der Taxonomie‐Verordnung der EU führt an einer naturverträglichen Neu‐Gestaltung von Wirtschaftssystemen alleine schon aus ökonomischer Sicht kein Weg vorbei“, sagt Christoph Löffler, von EPEA part of Drees & Sommer in Österreich. Als 100 Prozent Tochter von Drees & Sommer konzentriert sich EPEA darauf, das Cradle to Cradle Prinzip für die Kreislaufwirtschaft in der Immobilienwirtschaft zu etablieren. „Mehr noch ist dieser Strukturwandel die Grundlage dafür, dass die Branche eine wirtschaftliche Zukunft hat.“ Anstatt zum Beispiel ein Gebäude am Ende seiner Nutzungsdauer abzureißen und Unmengen an Bauschutt zu verursachen, müssen Gebäude als wertvolle Rohstoffbank genutzt werden. Die dafür notwendigen Daten über verbaute Materialien und ihre Eigenschaften lassen sich über den Building Circularity Passport der EPEA erheben und über Materialkataster wie Madaster für zukünftiges Urban Mining speichern.
Bei Bestandsgebäuden müssen alle Beteiligten enger zusammenarbeiten, um Daten im Nachhinein zu erheben. Ebenso müssen im Gebäudedesign und bei der Produktentwicklung die Rückbaufähigkeit und die Verwendbarkeit von Sekundärrohstoffen gesteigert werden. Davon sein man aktuell aber noch weit entfernt, so Löffler: „Ein übliches Wärmedämmverbundsystem mit all den notwendigen Materialschichten und zusätzlichen Leitungen und Kabeln besteht häufig aus bis zu 20 kaum voneinander trennbaren Komponenten. Auch wenn jedes einzelne verbaute Teil für sich nachhaltig produziert wäre, passen sie nicht zu einem Großen zusammen und sind so verarbeitet, dass sie sich am Ende des Lebenszyklus des Gebäudes keinem Kreislauf mehr zuführen lassen.“ Eng verbunden mit Kreislaufwirtschaft sieht Löffler das Cradle to Cradle‐Designprinzip.
Gesunder Kreislauf für die Wirtschaft
Auf Basis des Cradle to Cradle‐Prinzips geht es darum, Materialien so herzustellen und zu verarbeiten, dass sie entweder potenziell unendlich im Wirtschaftskreislauf zirkulieren und wiederverwendet werden, oder dass sie aufgrund ihrer Materialeigenschaften selbst wieder zu Nährstoff für neue Materialien werden, etwa durch Kompostierung. Selbstredend müssen auch die Herstellung und die Verarbeitung dieser Materialien umweltfreundlich sein. Neben den ökologischen Auswirkungen dieses Ansatzes sind die wirtschaftlichen Vorteile offensichtlich, zeigt Löffler auf: „Materialien und Produkte, die zirkulieren, müssen nicht kostenintensiv neu hergestellt bzw. entsorgt werden. Material, das als Nährstoff der Umwelt wieder zugeführt wird, sorgt für das Nachwachsen neuer Materialien. Das Cradle to Cradle Prinzip, übertragen auf die Real Estate Branche, sorgt für werthaltige Immobilien, deren Ziel ein positiver Impact auf Umwelt, Umgebung und Nutzer ist. Dabei werden selbstverständlich ESG‐Richtlinien berücksichtigt und die Anforderungen der EU‐Taxonomie erfüllt, was auch zu höheren Renditen führt“, attestiert Löffler. So wie sich durch das Cradle to Cradle‐Prinzip das mit Rohstoffverknappung und Materialpreisschwankungen einhergehende Geschäftsrisiko deutlich verringern lässt, kann ebenso Wirtschaftswachstum vom Rohstoffverbrauch entkoppelt werden. Damit werden auch neue Geschäftsmodelle wie Rücknahmesysteme oder Leasing von Baumaterialien möglich.
Braungart: „Mehr Gutes statt weniger Schlechtes“
Michael Braungart, Professor für Eco‐Design u.a. an der Leuphana Universität Lüneburg, Gründer von EPEA und „Erfinder“ des Cradle to Cadle‐Prinzips, geht noch einen Schritt weiter. Er sieht neben technischen Lösungen vor allem in einem grundlegend geänderten Denkansatz die Voraussetzung für diese neuen Geschäftsmodelle. „Anstelle daran zu arbeiten, negative Auswirkungen zu minimieren, indem etwa der CO2‐Ausstoß reduziert oder die Recyclingquote erhöht wird, müssen wir die positiven Auswirkungen unseres Tuns steigern und monetarisieren.“ In der Forschung gebe es dazu umfassendes Wissen, das es nun in die Praxis umzusetzen gelte. In puncto Geschäftsmodelle meint Braungart etwa: „Dementsprechend sollten wir nicht ein Recht auf Reparierbarkeit fordern, sondern ein Recht auf Intaktheit. Wirschützen die Umwelt nicht, wenn wir sie ein wenig weniger zerstören. Aus ökologischer und ökonomischer Sicht müssen wir danach streben, das Richtige zu tun, nicht das weniger Falsche."