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"Lage am Immobilienmarkt bleibt bis weit ins Jahr 2025 angespannt"

Die Experten der ÖRAG sehen trotz Zinswende kein rasches Ende der aktuellen Krise
Patrick Baldia
"Lage am Immobilienmarkt bleibt bis weit ins Jahr 2025 angespannt"
© ÖRAG/AD Consult | Die ÖRAG bat am Dienstag Journalisten zum "Round Table Immobilienwirtschaft" ins Wiener Haas Haus

Wer gedacht hat, dass "Stay alive till 25" die aktuelle Lage der heimischen Immobilienindustrie am besten beschreibt, wurde am Dienstag beim "Round Table Immobilien" der ÖRAG im Wiener Haas Haus eines Besseren belehrt. Angebracht sei vielmehr "Safe Haven in 27", war zu erfahren. Während es nämlich in Deutschland wieder bergauf geht, sei hierzulande weiter Geduld gefragt.

„Trotz wahrscheinlich ein bis zwei weiterer Zinsschritte im heurigen Jahr und einer Senkung der Inflation, wird die Lage auf dem Immobilienmarkt und im Bereich der Projektentwicklung bis weit in das Jahr 2025 angespannt bleiben“, sagt ÖRAG-Vorstand Stefan Brezovich, um im selben Atemzug von einem "Platzen der Immobilienblase in Zeitlupe" zu sprechen.

Das Zinsniveau habe nämlich keinen Peak gebildet, sondern ein Plateau, worauf sich die Immobilienbranche kurzfristig und daher schmerzvoll einstellen musste. Die Folge: Insolvenzen namhafter Branchenplayer. Weitere dürften folgen. Die größte Herausforderung ist für Brezovich aktuell allerdings nicht das Zinsniveau, sondern die angespannte konjunkturelle Lage in Europa.

Bewertung: Banken und Masseverwalter neue Auftraggeber

Die ersehnte Marktberuhigung ist jedenfalls trotz der ersten Zinssenkung der EZB im Juni seit 2022 nicht eingetreten. Vielmehr sieht Michael Buchmeier, Vorstand und Bereichsleiter Bewertung bei der ÖRAG, einen von der Notwendigkeit des Verkaufs getriebenen Markt, wo die Wunschpreise nicht immer mit der Realität in Einklang zu bringen wären. Teilweise würden die gewünschten Kaufpreise über dem Marktniveau liegen, gleichzeitig werde es zunehmend schwierig, passende - und vor allem eigenkapitalstarke - Käufer zu finden. Gefragt wären aktuell vor allem attraktiv bepreiste Bürogebäude in guten Lagen mit stabilem Cashflow.

"Viele Banken haben die Geduld verloren", nennt Buchmeier einen Grund für die vielen Zwangsversteigerungen. Stichwort Bank. Interessant ist, dass Buchmeier und sein Team aktuell mit anderen Kunden beschäftigt sind als üblicherweise. "Waren die Auftraggeber früher Bauträger und Projektentwickler, so sind es jetzt Masseverwalter und Banken.

Potente Investoren dominieren

Dass am Investmentmarkt schon mal mehr los war als derzeit, kommt nicht wirklich überraschend. Aber investiert wird dennoch. "Für eigenkapitalstarke Anleger ist es ein toller Einstiegszeitpunkt, bevor sich die Preise wieder nach oben entwickeln", so ÖRAG-Vorstand Johannes Endl.

Der Experte sieht aktuell eindeutig einen Käufermarkt. "Viele Verkäufer mit hohem Verkaufsdruck treffen auf eine begrenzte Zahl an potenten Investoren", berichtet er. Aktiv wären vor allem Family Offices und Privatstiftungen. "Institutionelle Investoren sind noch nicht so stark tätig wie vor 2 Jahren, jedoch trotzdem interessiert und für einige Transaktionen verantwortlich", so Endl.

In die gleiche Kerbe schlägt Herbert Petz, Bereichsleiter Investment bei der ÖRAG: "Eigenkapitalstarke Käufer haben im Moment gute Karten: eine Verkaufswelle in der Immobilienbranche bringt Trophy Assets auf den Markt, die sonst nicht zum Verkauf stünden - beispielsweise das Büropalais Schottenring 19 und der ÖBB Tower."

Büro und Handel nicht tot

"Die Nachfrage nach Büroimmobilien in den neuen Büroclustern in Wien wie etwa Hauptbahnhof oder Donau-City zeigt, dass der Bedarf an modernen Arbeitsumgebungen weiter wächst", sagt Elisa Stadlinger, Geschäftsführerin und Bereichsleiterin Gewerbe bei der ÖRAG, und erinnert daran, dass während der Corona-Zeit viele glaubten, das Büroflächen würden nicht mehr gebraucht werden. Die Cluster-Standorte würden jedenfalls nicht nur moderne Büros, sondern auch eine attraktive Infrastruktur bieten. Besonders in Wien würden Bürocluster zunehmend zu zentralen Standorten für Unternehmen."

Im Vergleich zu anderen internationalen Märkten, wo hohe Leerstände herrschen würden, sei die Verfügbarkeit moderner Flächen in Wien sehr begrenzt und neue Projekte wären oft schon vor der Fertigstellung vermietet.  "Zusätzlich wurden mehrere Bauprojekte abgesagt, was die Knappheit weiter verschärfen wird", so Stadlinger. 

"Auch der Handel wird nicht aussterben - aber wie alle Wirtschaftszweige muss er sich auch den gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen", so Stadlinger weiter. In Zukunft werde deshalb die Customer Experience noch weiter an Bedeutung gewinnen. Was die Lage betrifft, gehe der Trend zu hochfrequenten Zonen. B- und C-Lagen bräuchten dagegen neue Konzepte zur Belebung. Nachsatz: "Der Wettbewerb um High-Street-Flächen nimmt zu, aber auch Prüfungs- sowie Verhandlungszeiten verlängern sich."

Für die Gewerbeimmobilien-Expertin bleibt der Handel trotz wirtschaftlicher Herausforderungen eine Schlüsselkomponente für städtische und ländliche Gebiete. "Er belebt Erdgeschoßzonen und bietet Unternehmen wichtige Marketingvorteile."

Logistikmarkt bleint spannend

Der spannendste Marktsegment bleibt für Stadlinger Logistik. "Der Bauboom im Industrie- und Logistiksektor, ausgelöst durch die Pandemie, zeigt nun eine Verschiebung hin zu spekulativen und Brownfield-Projekten. Die Vorteile für Entwickler liegen vor allem in vorhandenen Widmungen und Bewilligungen", hält die Expertin fest.

Aber auch der Logistikmarkt hat sich verändert. Nach einer erhöhten Nachfrage durch Onlinehandel und Covid würden nun eher zentrale Flächen vermietet werden, die auch häufig überdurchschnittlichrasch vollvermietet wären. Außerdem würden Unternehmen zunehmend auf Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität in ihren Immobilien setzen. "Wie umfangreich ökologische Maßnahmen umgesetzt werden, wirkt sich unmittelbar auf die Attraktivität eines Objekts aus", so Stadlinger.

Wohnen: Mietmarkt boomt, Käufer suchen Bestandsobjekte

Zwischen rückläufiger Bautätigkeit und nach wie vor schwieriger Finanzierungsbedingungen im Eigentum erhöht sich der Druck am Mietmarkt, berichtet Aleksandra Mitrovic, Bereichsleiterin Wohnen Miete bei der ÖRAG. "Insbesondere größere Wohnungen mit 3 bis 4 Zimmern sind sehr begehrt, jedoch ist das Angebot in diesem Segment begrenzt", sagt sie. Laut Mitrovic droht ohne entsprechender Neubautätigkeit eine weitere Verknappung des Wohnraumangebots und in weiterer Folge auch höhere Mietpreise. "Es wird zudem immer schwieriger, den Bedarf an leistbarem Wohnraum zu decken, was vor allem Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen stark belastet.“

Im Eigentumsbereich wird vor allem der Sekundärmarkt spannend, was auch dem verringerten Neubauvolumen geschuldet sei, so Jelena Pirker, Bereichsleiterin Wohnen Eigentum, bei der ÖRAG. "Werden die Immobilien an moderne Ansprüche in Sachen Nachhaltigkeit (neben Lage und Preis eines der Hauptkriterien) angepasst, ergeben sich derzeit gute Chancen", erklärt sie. Für Käufer würden sich dadurch wieder bessere Möglichkeiten bieten, erschwinglichere Immobilien mit mehr Nutzfläche zu kaufen, anstatt im Neubausegment auf kleinere Wohnflächen am Markt und schwierigen Finanzierungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Letzteres sei besonders anfällig für Schwankungen. Nachsatz der ÖRAG-Expertin: "Hohe Baukosten ermöglichen kaum Spielraum für eine Verhandlungsbasis, da die Umsetzung für die Projektentwickler finanziell nicht tragfähig wäre.“

ÖRAG