Die Logistikmärkte in ganz Europa – und somit auch in Österreich – sind von zahlreichen Neuerungen und Änderungen geprägt. Vor allem die neue EU-Taxonomie und die gesamte ESG-Thematik bringen viele Veränderungen für die Logistikbranche. „Die Zahl der Unternehmen, die Logistikimmobilien, die nicht der EU-Taxonomie entsprechen nutzen wird zukünftig noch weiter eingeschränkt“, erklärt Jörg Kreindl, Head of Industrial & Logistics EMEA bei CBRE.
„ESG – also Environmental, Social und Governance – sind die zentralen Kriterien bei der Entwicklung, aber auch bei der Vermietung von Logistikimmobilien. Ein erster wichtiger Richtwert ist dabei die Energieeffizienz der Immobilie“, so Franz Kastner, Logistikexperte bei CBRE, der mit seinem Team für rund 51% aller Logistikvermietungen in und um Wien verantwortlich ist. Weitere Änderungen ergeben sich aus der UVP-Novelle, die seit März 2023 auch für bestimmte Logistikimmobilien eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorsieht. „Noch ist offen, welche Auswirkungen das auf die Flächenproduktion im Logistikbereich haben wird“, ergänzt Kastner.
Neuer Logistik Hotspot in Kärnten
Lange waren mit dem Logistikmarkt Österreich die Standorte Wien, Graz und Linz gemeint. Nun rückt das auf der baltisch-adriatischen Achse liegende Bundesland Kärnten zusätzlich in den Fokus. Zwischen dem Logistik Center Austria Süd in Fürnitz bei Villach und dem Hafen Triest wurde ein in Europa einzigartiger Zollkorridor geschaffen, wodurch der Standort an Attraktivität gewinnen wird. Der Regelbetrieb wird noch 2023 aufgenommen, weitere Projekte am Standort sind bereits in Planung. „Mit dem Abkommen zwischen dem Logistik Center Austria Süd und dem Hafen Triest wurde der Grundstein gelegt für einen neuen vielversprechenden Logistikstandort im Süden Österreichs. Wir erwarten, dass sich der Standort binnen kurzer Zeit etablieren wird“, so Jörg Kreindl, Head of Industrial & Logistics Occupier EMEA, der auf die Entwicklung eines weiteren Logistikcenters der Deutschen Logistik Holding mit rund 35.000 m² Fläche am selben Standort für 2025 verweist.
Bewegung auf den Logistikmärkten Wien, Graz, Linz
Es entsteht aktuell nicht nur ein neuer Logistik Hotspot in Kärnten, auch die bestehenden Standorte wachsen und werden erweitert. „Die Erweiterung und der Ausbau des Logistikmarktes sind zurzeit beinahe ausschließlich auf die stabile Nachfrage des B2B Sektors zurückzuführen. Die Nachfrage aus dem B2C-Bereich hat unter anderem aufgrund des rückläufigen Onlinehandels zuletzt nachgelassen.“, so Kastner. Alleine am rund 2,9 Millionen Quadratmeter umfassenden Logistik Hotspot in und um Wien sollen bis 2024 weitere 700.000m² Logistikflächen entstehen. „Immer wichtiger wird – auch mit Blick auf den Flächenverbrauch – die Revitalisierung von bestehenden Flächen und Gebäuden. Hier sehen wir weiterhin großes Potenzial“, so Kastner. Die angespannte Marktsituation, die unter anderem durch den geringen Leerstand verschärft wird, hat zu steigenden Mieten geführt. Im vergangenen Jahr ist die Spitzenmiete um rund 12% auf 6,50 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Auch für 2023 werden weitere Mietsteigerungen erwartet.
Der Logistikmarkt Graz wird 2024 die 1-Million-Quadratmeter-Marke überschreiten, wenn zu den aktuell rund 980.000m² noch weitere 100.000m² dazukommen. „Graz ist der Logistik Hotspot mit dem modernsten Bestand in Österreich, rund 70% der Flächen entsprechen der Klasse A, die bisher primär von Eigennutzern belegt sind“, so Kastner, der in Aussicht stellt, dass mit der Fertigstellung der neuen Flächen auch die Fremdnutzerquote in Graz steigen wird, da zunehmend spekulativ errichtet wird. Aktuell entsteht das Projekt des amerikanischen Logistikimmobilien-Entwicklers Panattoni in Leibnitz; der rund 60.000m² große Technologie- und Gewerbepark wird von CBRE begleitet und vermietet.
Der Logistikmarkt Linz wächst langsamer als die anderen Hotspots in Österreich, 2022 sind zu den bestehenden 1,8 Millionen m² Fläche 43.000m² dazu gekommen. „Ein großer Teil des Bestandes in Linz ist veraltet, so entsprechen rund 58% der Flächen nur den Klassen B & C“, analysiert Kastner den Markt und weist darauf hin, dass diese Flächen nicht den modernen Standards entsprechen und es vor allem im Bereich Nachhaltigkeit noch Aufholbedarf gibt. Aufgrund der angespannten Situation weichen Nutzer immer mehr nach Osten oder auf Flächen entlang der A1 wie etwa in Amstetten oder Herzogenburg aus.
Logistikinvestment unter den Top3
Weiterhin großes Interesse gibt es von Investoren an Logistikimmobilien. Mit einem Rekordvolumen von EUR 670 Millionen im Jahr 2022 befand die Assetklasse sich erneut unter den Top 3 bei österreichischen Immobilieninvestments. „Das Investoreninteresse ist groß, allerdings werden immer mehr Parameter bei der Bewertung der Investments herangezogen: Der Zustand der Immobilien wird genauer überprüft, ebenso die ESG-Konformität. Prinzipiell prüfen die potenziellen Käufer und die finanzierenden Banken jedes Investment sehr intensiv“, so Laura Holzheimer, Head of Research bei CBRE. „Wir wissen aus unseren Studien, dass Logistikimmobilien nach wie vor zu den bevorzugten Assetklassen der Investoren zählen. Insgesamt gehen wir 2023 von einem niedrigeren Transaktionsvolumen aus, in Logistikimmobilien könnte aber ähnlich viel investiert werden wie im Vorjahr.“, so Holzheimer.
Europa: Logistikmarkt wird vielfältiger. Einbruch bei Vermietungen
Bis Ende 2022 konnte der europäische Logistikimmobilienmarkt ausschließlich Wachstumsraten verzeichnen. Die Situation hat sich allerdings seit dem vierten Quartal 2022 verändert, in einigen Märkten ist ein deutlicher Einbruch bei Neuvermietungen zu verzeichnen. In Deutschland gingen die Vermietungen im ersten Quartal 2023 verglichen mit einem extrem starken ersten Quartal 2022 um über 60% zurück, in etlichen anderen großen europäischen Märkten um bis zu 40%.“Auslöser für diese Entwicklung ist zum einen die Normalisierung im Online Handel, der sich zu den Wachstumsraten von vor der Pandemie zurückbewegt, zum anderen die Zurückhaltung beim Treffen von Entscheidungen. Zudem gibt es nach wie vor zu wenige Flächen“, analysiert Kreindl den europäischen Markt. „Die Jahre 2023 und 2024 werden gegenüber den Rekord-Vermietungsvolumina von 2021/22 zurückfallen - allerdings noch immer auf sehr hohem Niveau bleiben. Die strukturelle Unterversorgung Europas mit modernen Logistik-Flächen drückt sich ganz klar in nach wie vor in extrem geringen Leerstandsraten und stark gestiegenen Mietniveaus aus.“
Nachdem nach Ende der Pandemie die E-Commerce Entwicklung in ganz Europa wieder auf das Niveau der vor-pandemischen Wachstumskurve zurückkehrt, spielt dieser Treiber bei der Nachfrage von Logistikflächen aktuell eine untergeordnete Rolle. In der Zeit der Pandemie wurden sehr großzügig Flächen angemietet, die aktuell nicht gebraucht oder nicht übernommen werden. Online Shopping ist und bleibt ein Wachstumsmarkt, allerdings wird das Wachstum langsamer erfolgen als während der Pandemie.
„CBRE wurde gerade von einem Fashion E-Commerce Unternehmen mit der Suche nach sehr großen Logistikflächen in Österreich, Schweden und der CEE-Region beauftragt“, blickt Kreindl in die Zukunft. Ein neuer Treiber am Logistikmarkt sind Produktionsbetriebe bzw. B2B Unternehmen, die Flächen für ihre Logistik nachfragen. „Da sprechen wir von Flächen für Solarpaneele, Wärmepumpen, Klimaanlagen oder Batterien für E-Autos. Wir sind aber auch mit der Suche nach Produktions- bzw. Logistikflächen für E-Lokomotiven beschäftigt“, beschreibt Kreindl die neue Vielfalt am Logistikmarkt.