Senioren, die um einen Wohnkredit mit längerer Tilgungszeit ansuchten, wurden von heimischen Banken bis dato häufig ausgeschlossen – ein möglicher Todesfall hätte die Erfüllung des Vertrags verhindern können.
Die ab 1. Mai 2023 geltende Novelle des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes soll dieser Altersdiskriminierung nun begegnen und die Kreditaufnahme für Senioren in Österreich erleichtern.
Die auf Immobilienrecht spezialisierte Wiener Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte gibt Überblick über die Neuerungen der Gesetzesnovelle. Bisher sah das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz in § 9 Abs 5 vor, dass ein Kredit nur dann gewährt werden darf, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass die Verpflichtungen des Kreditvertrages erfüllt werden können. Dies schloss ältere Kreditwerber bei längeren Laufzeiten quasi aus, da die Möglichkeit eines Todesfalls innerhalb der Tilgungszeit eine negative Kreditwürdigkeitsprüfung bedeutete. Im Februar dieses Jahres wurde eine Novelle des österreichischen Hypothekar-und Immobilienkreditgesetzes im Ministerrat beschlossen, die als wichtiger Schritt gegen die Altersdiskriminierung bei der Kreditvergabe bewertet werden kann.
Künftig entscheidend: Sicherheiten und Wahrscheinlichkeit der Vertragserfüllung
Die entsprechende Novelle wird mit 1. Mai 2023 in Kraft treten, ihre wichtigste Neuerung liegt in den Vorgaben der Kreditwürdigkeitsprüfung: Fortan müssen im Zuge jener bestehende Sicherheiten und insbesondere die Wahrscheinlichkeit, mit der die Vertragsverpflichtungen erfüllt werden können, berücksichtigt werden. In der Praxis liegen „ausreichende Sicherheiten“ vor allem dann vor, wenn der Wert der betreffenden Immobilie die Kreditsumme übersteigt. „Die neue Regelung hält fest, dass der Wert einer Immobilie durchaus bei der Kreditvergabe berücksichtigt werden darf“, so Dr. Roland Weinrauch, Gründer von Weinrauch Rechtsanwälte, „durch die Voraussetzung, dass der oder die Kreditnehmer:in den laufenden Kreditvertragsverpflichtungen zu Lebzeiten auch nachkommen kann, wird jedoch gewährleistet, dass der Liegenschaftswert nicht zum hauptsächlichen Prüfungsgegenstand wird.“
Erwartete Auswirkungen der Gesetzesnovelle
Durch die Novelle des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes ist nicht sichergestellt, dass Senioren eine positive Kreditwürdigkeitsprüfung erhalten. Die Prüfung wird per Novelle aber um neue Punkte ergänzt, wodurch ein höheres Alter jedenfalls keinen automatischen Ausschlussgrund mehr darstellt. Damit nähert sich die österreichische Regelung auch der deutschen Rechtslage an: „Bei den Neuerungen hat unser Rechtsapparat wohl auch über die Grenze gesehen. Insgesamt sind die neuen Bestimmungen bezüglich der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Senioren denen der deutschen Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung (ImmoKWPLV) sehr ähnlich. Damit verbessert sich auch die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Kreditinstitute“, betont Rechtsanwalt Roland Weinrauch.
Für Senioren bringt die Neuregelung der Kreditwürdigkeitsprüfung mehr finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten und letztlich Selbstbestimmung. Österreichischen Banken eröffnet sich ein neues Segment an Kreditkunden, gleichzeitig wird die Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Novelle aber auch komplexer. „Die Novelle des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes erfüllt das wichtige Ziel, eine mögliche Altersdiskriminierung bei der Wohnkreditvergabe zu verhindern. Ökonomisch betrachtet könnte es aufgrund der Neuerung aber mittel- und langfristig auch zu einer Steigerung der notwendigen Immobilienverwertungen kommen“, so das Fazit des Experten.