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Pflichtteilsberechnung bei Tod eines Eigentümerpartners

Roland Weinrauch
Pflichtteilsberechnung bei Tod eines Eigentümerpartners
© Weinrauch Rechtsanwälte

Was ist passiert?

Der 2021 verstorbene Erblasser hinterlässt eine Tochter (Klägerin) und eine Ehefrau (Beklagte). Er setzte seine Tochter in einem 2015 errichteten Testament zu seiner Alleinerbin ein. Mit seiner Ehefrau wiederum war er Miteigentümer einer Eigentumswohnung samt Abstellplatz. Nach dem Tod ihres Ehegatten diente ihr das Wohnungseigentumsobjekt zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses.

Die Tochter des Verstorbenen begehrte von der Witwe die Zahlung ihres Pflichtteils auf Basis des Werts des der Witwe gemäß § 14 Abs 1 WEG angewachsenen Anteils des Erblassers am Mindestanteil, also der Hälfte des Verkehrswerts des gesamte Mindestanteils des Objekts.

Die Witwe wendete ein, der Pflichtteil sei nach § 14 Abs 3 Satz 2 WEG nur unter Berücksichtigung des an den Nachlass zu zahlenden Viertels des Verkehrswerts des Mindestanteils zu berechnen.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Entscheidung vom 25.07.2024, 2 Ob 123/24p, führte der OGH zunächst aus, dass es sich bei der Anwachsung nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG um ein wohnungseigentumsrechtliches Institut sui generis handelt. Die dort angeordnete Sonderrechtsnachfolge von Todes wegen führt dazu, dass der Anteil des Erblassers am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum wegen dieses unmittelbaren, außerbücherlichen Eigentumsübergangs nicht in die Verlassenschaft fällt.

Die gem. § 14 Abs 2 WEG angeordnete Pflicht des Erwerbers, den mit der Hälfte des Verkehrswerts des gesamten Mindestanteils anzusetzenden Übernahmspreis an die Verlassenschaft zu zahlen, dient dem wertmäßigen Ausgleich für die Anwachsung des halben Mindestanteils und soll eine Benachteiligung der Erben, sowie Pflichtteilsberechtigten und Gläubiger des Erblassers verhindern.

Handelt es sich beim Eigentümerpartner um einen Pflichtteilsberechtigten, der ein dringendes Wohnbedürfnis hat, entfällt nach Meinung des OGH die Pflicht zur Zahlung des Übernahmspreises zur Gänze gem § 14 Abs 3 Satz 1 WEG. Bei Vorhandensein weiterer Pflichtteilsberechtigter hat dieser aber ein Viertel des Werts des Mindestanteils, das entspricht dem halben Übernahmspreis, an den Nachlass zu leisten. Nach allgemeinen, von § 14 Abs 3 Satz 2 WEG nicht berührten Grundsätzen der Pflichtteilsberechnung, ist der Pflichtteil der Tochter vom reinen Nachlass zu berechnen, in dem lediglich der zu leistende halbe Übernahmspreis vorhanden ist.

Der OGH kam schließlich zum Ergebnis, dass es für eine Einbeziehung des Werts des „übernahmspreisfreien“ Viertels des gesamten Mindestanteils an einer Gesetzeslücke mangelt und gab der Klage der Tochter nur zum Teil Folge.

Schlussfolgerung

Der OGH stellte klar, dass im Falle eines dringenden Wohnbedürfnisses des überlebenden und pflichtteilsberechtigten Wohnungseigentumspartners, nur der halbe Übernahmspreis bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche der übrigen Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen ist.