Eigentlich sollen Bauteile und Baumaterialien so lange wie möglich im Gebäude verbleiben. Ihre Wiederverwendung ist nicht die erste Wahl im Hinblick auf zirkuläres Bauen. Im Vordergrund stehen Umnutzung, Sanierung und Revitalisierung, bevor man sich dem Ausbau und der weiteren Verwendung widmet, erklärte Anna-Vera Deinhammer, Projektkoordinatorin von Kraisbau, gegenüber der APA. Ist dies nicht mehr möglich, gilt "Re-Use" aber als wichtiger Schritt hin zur Kreislaufwirtschaft.
Dieser Ansatz wird seit vielen Jahren von Initiativen wie dem BauKarussell, den materialnomaden oder Kraisbau vorangetrieben, befindet sich aber in einer frühen Phase der Umsetzung. Noch gehen viele wertvolle Materialien verloren, auch wenn es zahlreiche innovative Projekte und Technologien, wie z.B. das Recycling von Ziegelresten und Beton, gibt, so Deinhammer. Die Branche müsse sich aber weg vom Downcycling, wo Abbruchmaterialien aus dem Hochbau in den Straßenbau gelangen, hin zur Produktion von Bauprodukten aus Sekundarmaterialien und Baumaterialien aus Sekundärrohstoffen bewegen. Dazu bräuchte es Infrastrukturen, die sammeln, prüfen und wieder in Umlauf bringen.
Die Wiederverwendung von Bauprodukten, "so wie sie sind", stecke noch in den Kinderschuhen, weil Gewährleistungs- und Haftungsfragen ungeklärt sind, erläuterte die Expertin, die auch Vorstandsmitglied des Circular Economy Forum Austria ist. Als maßgebliche Hürden sieht sie fehlende Anreize und Normen, die Unternehmen dazu motivieren, wiederverwendbare Materialien stärker in den Bauprozess zu integrieren. Auch bei der notwendigen Infrastruktur mit dazugehörigen Geschäftsmodellen sieht Deinhammer Nachholbedarf, etwa im Hinblick auf das Leasen von Bauteilen oder die Rücknahme von Materialien durch die Hersteller. Dazu komme die mangelnde Akzeptanz bei Architekten, Bauherren und Planern, wiederverwendete Materialien einzusetzen.
Der Markt sei erst im Entstehen, weil es noch an Prozessen, Standards und Infrastruktur fehle, meint man auch beim BauKarussell, das auf Social Urban Mining setzt und benachteiligte Personen in den Rückbauprozess integriert, etwa über die Beschäftigung von Arbeitssuchenden. Es gebe zwar ein paar Leuchtturmprojekte und Hersteller, die herausragen, aktuell werde die Wiederverwendung aber eher pilotiert. Neuprodukte seien meist noch billiger als die individuelle Prozessabwicklung, bei der Lagerung entstünden spürbare Kosten und auch ein zerstörungsfreier Abbau gelte nicht als ausgemachte Sache.
Dass Re-Use leichter umzusetzen ist, wenn große Gebäude zurückgebaut werden, weil dort größere Mengen von Bauteilen - etwa gleichartige Fenster - anfallen, liegt auf der Hand. Die Entwicklung werde inzwischen von den Unternehmen selbst angetrieben, weil sich da schon Geschäftsmodelle entwickelt hätten, konstatiert Bernadette Luger, Leiterin der Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen in der Magistratsdirektion der Stadt Wien. Das Thema sei bei den großen Baufirmen angekommen, heißt es auch vom Umweltbundesamt.
Ein Beispiel für ein Re-Use-Vorzeigeprojekt ist der Neubau der Volksschule Anif in Salzburg. Hier wurde das Material der alten Volksschule, die nicht mehr den aktuellen Standards entsprochen hat, so weit wie möglich wiederverwendet und neben dem Altbau ein neues Gebäude errichtet. Schon in den Jahren zuvor gab es zahlreiche Anläufe, das Thema voranzutreiben. Auch beim "Village im Dritten" in Wien setzte man auf einen ressourcenschonenden Rückbau des Altgebäudebestands. Hier hat das BauKarussell im Auftrag der ARE Austrian Real Estate rund 50.000 Kilogramm Material aus den Gebäuden gewonnen.
Zuletzt musste auch das sogenannte Vorklinik-Hochhaus am Campus der Uni Graz dem zukünftigen Graz Center of Physics weichen. Knapp 41 Tonnen Wertstoffe wurden im Rahmen des Projekts der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) vom BauKarussell recycelt, mehr als 17 Tonnen Bauteile und Möbel wiederverwendet: Hörsaalsessel und Spinde, Lampen, Waschbecken, Laborausstattung, Regale und Tische fanden neue Besitzer. Weitere 82,5 Tonnen wurden entsorgt. Dass es bei Re-Use aber noch Beschränkungen gibt, zeigt sich auch hier. Zwar werden zerkleinerte Teile des Betonbruchs beispielsweise wieder zur Hinterfüllung beim neuen Gebäude eingesetzt, für ein Recycling als Beton ist die Technologie laut BIG aber noch nicht ausgereift. (apa)