Der Rechtsstreit um in der Pandemie nicht geleistete Mietzahlungen des Wiener Kaffeehauses Café Landtmann ist am Freitag ohne Beisein des beklagten Landtmann-Pächters Berndt Querfeld weitergegangen. Querfeld ließ sich wegen Krankheit entschuldigen. Viele Rechtsfragen sind nach wie vor offen. Eine baldige Entscheidung oder Einigung ist daher nicht in Sicht.
Unstrittig ist für beide Parteien bloß, dass dieser Fall sie noch lange beschäftigen wird, wie sie gegenüber der APA betonten. Im Vorjahr waren die Vermieter des bekannten Innenstadt-Kaffeehauses vor Gericht gezogen. Vermieterin ist die Wlaschek-Stiftung des verstorbenen Billa-Gründers Karl Wlaschek. Der Vorwurf lautet, dass Querfeld die Mietzahlungen in den Lockdown-Monaten eigenmächtig ausgesetzt und in anderen Monaten stark reduziert habe. Querfeld wiederum sieht sich wegen der Geschäftsausfälle durch die Lockdowns in der Pandemie im Recht. Der Streitwert beläuft sich auf mehrere hunderttausend Euro.
Beim heutigen Verhandlungstermin befragte die Richterin zwei Zeugen, den ehemaligen Geschäftsführer der früheren Vermieterin des Kaffeehauses, sowie die Vorständin der aktuellen Vermieterin. Dabei ging auch hervor, dass nach Medienberichten über den Mietstreit mehrere Makler mit neuen Interessenten für das Café Landtmann an die aktuelle Vermieterin herangetreten seien. Diese seien bereit gewesen, gleich viel oder mehr Miete für die Geschäftsräumlichkeiten zu zahlen und das Corona-Risiko voll auf sich zu nehmen. Eine Neuverpachtung sei für die Vermieterin aber aktuell kein Thema. Eine Sprecherin der Wlaschek-Stiftung versicherte der APA abermals, dass sie die "Mieter nicht heraus haben wollen". Ziel sei es, das Café Landtmann, so wie es ist, zu erhalten und eine Einigung mit der Familie Querfeld zu erzielen.
Bisher sind zehn höchstgerichtliche Entscheidungen zum Thema Mietzinsminderung während der Coronapandemie ergangen. Mehrere deuten darauf hin, dass Unternehmen das Einbehalten der Miete während der Lockdowns rechtmäßig zustand, wenn die gemieteten Flächen für den vorgesehenen Verwendungszweck unbenutzbar waren. Das sei auch auf das leer gestandene Café Landtmann während der coronabedingten Lockdowns übertragbar, wie der Anwalt der beklagten Partei bereits beim vorigen Gerichtstermin näher ausgeführt hatte.
Seit dem letzten Gerichtstermin am 13. Mai 2022 gab es zwei neue höchstgerichtliche Entscheidungen zu diesem Thema, die die Argumentation der Klägerin stützen. Demnach würde nicht jeder Umsatzrückgang gleich eine Mietzinsminderung rechtfertigen, sondern nur dann, wenn er nachweislich durch die Pandemie verursacht wurde. Das Problem: Ausjudiziert ist das nur für behördliche Betretungsverbote, sprich, wenn ein Geschäft wegen Lockdowns geschlossen bleiben musste. Offen ließ der Oberste Gerichtshof (OGH) weiterhin, ob und in welcher Höhe eine Mietzinsminderung in den Zeiträumen zwischen den Lockdowns bei geringfügigeren Einschränkungen zulässig war - etwa durch die "2G"-Regelung, Abstandsregeln oder vorgegebene Öffnungszeiten. Der OGH stellte aber klar, dass das Fernbleiben von Kundschaft wegen "Corona-Angst" allein kein Grund sei, weniger Miete zu zahlen. Das sei Teil des unternehmerischen Risikos.
Die Vertreter der Wlaschek-Stiftung argumentieren unter anderem, dass das Café Landtmann durch die vorübergehende Einrichtung von Take-away und eines Lieferservices auch während der Pandemie zumindest teilweise benutzbar war. Querfeld meinte diesbezüglich beim letzten Verhandlungstermin, dass er während Corona zu keinem "Take-away-Kaiser" geworden sei, die Kaffeehaus-Erfahrung funktioniere nämlich nicht zum Mitnehmen. Auch der Lieferservice sei höchst unwirtschaftlich gewesen und daher nach wenigen Monaten eingestellt worden.
"Bis dieser Rechtsstreit entschieden ist, wird es noch zehn weitere OGH-Urteile geben", sagte ein Anwalt der Wlaschek-Stiftung. "In vielen Belangen ist noch nicht das letzte Wort gesprochen", so auch der Rechtsvertreter der Familie Querfeld. Bis zur Entscheidung dürften im Landtmann also noch viele Mehlspeisen und Melangen serviert werden. (apa)