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Reges Geschehen am Wiener Zinshaus-Parkett

Das Wiener Zinshaus ein sicherer Hafen für Anleger erwiesen: 1,1 Milliarden Euro Umsatz im ersten Halbjahr 2022. Abflachung der Preisdynamik möglich.
Michael Neubauer
Wiener Zinshausmarkt
Wiener Zinshausmarkt
© REMG

Die Nachwirkungen der Pandemie, der Ukrainekrieg, die Energiekrise sowie die hohe Inflation – das gesamtwirtschaftliche Umfeld bringt viele Assetklassen innerhalb der Immobilienbranche zunehmend unter Druck. „Doch das Wiener Zinshaus hat sich einmal mehr als sicherer Hafen für Anleger erwiesen“, betonte Eugen Otto bei der Präsentation des neuen Zinshaus-Marktberichts.

Nach Recherchen seines Unternehmens sind sowohl die Gesamtanzahl der Verkäufe (+36 Prozent) als auch das Verkaufsvolumen (+14 Prozent) gegenüber dem Vorjahreszeitraum neuerlich gestiegen. Den gemeinsamen Umsatz von Assetdeals und Sharedeals im ersten Halbjahr 2022 beziffern die Experten mit 1,1 Milliarden Euro. Auch die Preissteigerungen in den einzelnen Bezirken lagen im Schnitt unverändert im zweistelligen Prozentbereich.

Hot Spots 9. und 16. Bezirk

Bei den Verkäufen verzeichnen der 9. und 16. Bezirk mit +325 Prozent bzw. +355 Prozent die stärksten Zuwächse. „Insgesamt kam es in zwölf der 23 Wiener Gemeindebezirke zu Steigerungen der Transaktionsanzahl“, berichtet Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei OTTO Immobilien. In neun Bezirken konnte im Gegenzug eine Abnahme der Verkaufszahl beobachtet werden, davon in einem Bezirk, nämlich dem 22., sogar eine ganz deutliche: Hier sind die Verkäufe um 89 Prozent zurück gegangen.

Preise steigen weiter

Der starke Rückgang an angebotenen Wiener Gründerzeit-Zinshäusern und die gleichzeitig starke Nachfrage haben dazu geführt, dass die Mindestpreise in einzelnen Bezirken deutlich zugelegt haben. Der höchste Zuwachs bei den Mindestpreisen konnte im 12. (+22 Prozent) und 8. Bezirk (+19 Prozent) verzeichnet werden. Ebenfalls stark gestiegen sind die Einstiegspreise mit Steigerungen zwischen 18Prozent und 19Prozent in den Bezirken 9, 10, und 18. Bei den Maximalpreisen konnte man in ganz Wien eine durchschnittliche Veränderung von +11 Prozent beobachten. „Die niedrigsten Einstiegspreise sind zwar weiterhin in den Bezirken außerhalb des Gürtels zu finden, aber mittlerweile wird kein Wiener Gründerzeit-Zinshaus in einem durchschnittlichen Zustand unter 2.275 Euro pro Quadratmeter verkauft“, so Christopher Kmen, Senior Analyst bei OTTO Immobilien     .

Unternehmen dominieren

Sowohl auf Käufer als auch Verkäuferseite haben Unternehmen nach wie vor die Nase vorn, wobei sie auf der Verkäuferseite deutlich vorne liegen. Im 1. Halbjahr 2022 gingen knapp sowohl 53 Prozent aller Käufe als auch 68 Prozent aller Verkäufe von Unternehmen aus. Im Vergleich zum 1. Halbjahr 2021 bedeutet dies -12 Prozent -Punkte bei den Käufen, +16 Prozent -Punkte bei den Verkäufen. „Der starke Anstieg an Transaktionen ausgehend von Unternehmen auf Verkäuferseite spricht für eine zunehmende Bedeutung der Unternehmen“, so Christoph Lukaschek, Leiter Investment. Privatpersonen waren in der aktuellen Berichtsperiode mit rund 46 Prozent bei den Käufen und knapp 30 Prozent bei den Verkäufen vertreten. Vergleicht man die Werte ebenfalls mit denen der vorangehenden Beobachtungsperiode (+11 Prozent -Punkte bei den Käufen, -17 Prozent -Punkte bei den Verkäufen), ist eine Entwicklung weg von Privatpersonen als Verkäufer hin zu Privatpersonen als Käufer erkennbar. Die restlichen Transaktionen sind der Gruppe der Sonstigen zuzuschreiben. Auch in Bezug auf das Transaktionsvolumen stellen Unternehmen im 1. Halbjahr 2022 die stärkste Käufer- als auch Verkäufergruppe: 91 Prozent bzw. 52 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens je Bereich entfallen auf diese.

Renditen sinken

Die Maximalrenditen sind in den meisten Bezirken weiter gesunken, der Rückgang hat sich jedoch abgebremst. Somit weisen alle Bezirke mittlerweile eine Rendite von weniger als 3 Prozent auf. Im Großteil der Bezirke beträgt die Maximalrendite zwischen 2-3 Prozent - ausgenommen die Bezirke 1 und 2: Hier liegt die Maximalrendite unter 2 Prozent. Die Spitzenrendite für das beste Objekt in der besten Lage (entspricht der Mindestrendite im 1. Bezirk) beträgt derzeit 0,62 Prozent.

Nachhaltigkeit im Wiener Zinshaus

Die Energiekrise führt dazu, dass Eigentümer verstärkt die Möglichkeit prüfen, ihre Immobilie zukunftsfit zu machen. Objekte sollen energetisch-thermisch saniert werden, es wird geprüft, ob Wärmepumpen oder etwa Solarpaneele angebracht werden können. „Derartige technische Nachrüstungen sind aber nicht beim kompletten Zinshausbestand durchführbar. Neben den Kosten spielt oft der fehlende Platz durch die typischerweise geschlossene Bauweise in Verbindung mit engen Innenhöfen eine große Rolle. Auch die statische Situation des Hauses bei Umsetzbarkeit der angedachten Maßnahmen gibt oft Anlass zur Sorge“, weiß Mag. Maisel. Dazu kommt, dass sich technische Nachrüstungen trotz diverser Fördermöglichkeiten bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung für EigentümerInnen häufig auch mittelfristig nicht rechnen. „Es gibt derzeit unterschiedliche Überlegungen, wie diese Maßnahmen incentiviert werden könnten“, sagt Maisel. So könnte beispielsweise im Rahmen des §16 MRG ein neuer Tatbestand geschaffen werden, der dem Vermieter bei Aufwendung erheblicher Eigenmittel die Möglichkeit einräumt, den angemessenen Mietzins zu verlangen. „Damit wären Eigentümer*innen auch finanziell motiviert, kapital- und zeitintensive Adaptierungsarbeiten durchzuführen“, ist er überzeugt.

Leichte Abflachung der Preiskurve möglich

Und noch etwas zeigt sich: „In Zusammenhang mit Verkäufen müssen sich Privateigentümer zunehmend mit der Zukunftsfitness ihres Objektes auseinandersetzen. Hier ist definitiv ein guter Zeitpunkt zum Verkauf gegeben, da größere Bestandshalter eher in der Lage sind, die anstehenden Herausforderungen positiv zu meistern“, sagt Maisel. Für die nächsten beiden Quartale erwartet er auf den Energie- und Finanzmärkten unverändert anspruchsvolle Zeiten.