Mit den immer heißeren Sommern gewinnt ein Thema an Bedeutung, das bisher oft übersehen wurde: der Sonnenschutz. Was lange Zeit vor allem als gestalterisches Element oder einfacher Blendschutz wahrgenommen wurde, wird heute zunehmend als sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung des Raumklimas und zur Wertsteigerung von Immobilien gesehen. Der Bundesverband Sonnenschutztechnik (BVST) verweist auf aktuelle Studien, die zeigen, dass Systeme wie Markisen, Raffstores oder Rollläden nicht nur die Innenräume spürbar kühlen, sondern auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen.
In Wien wurden im Jahr 2024 bereits 53 Tropennächte gezählt, also Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt. Zum Vergleich: Im Zeitraum 1961 bis 1990 lag der Durchschnitt bei deutlich weniger. Auch die Zahl der Sommertage mit Temperaturen über 25 Grad hat sich von 54 auf 97 Tage pro Jahr erhöht. Hitzetage mit über 30 Grad stiegen von 10 auf 52. Diese Entwicklung führt dazu, dass der Bedarf an Kühlung rapide ansteigt.
Allein in den vier Jahren zwischen 2018 und 2022 ist die Anzahl der Klimageräte in österreichischen Haushalten um rund 50 Prozent gestiegen. Eine weitere Verdoppelung wird bis 2030 erwartet. Doch diese Lösung bringt neue Probleme mit sich.
"Diese kurzfristige Lösung ist jedoch problematisch: Mobile Klimageräte und Split-Anlagen verbrauchen viel Energie, erhöhen die Stromrechnung erheblich und tragen durch ihre Abwärme zusätzlich zur städtischen Überhitzung bei."—Fuad Salic, Sprecher des Bundesverbands Sonnenschutztechnik.
Jelena Vidović, Immobiliensachverständige für Liegenschaftsbewertung, sieht in Beschattungssystemen eine nachhaltige und wirtschaftlich sinnvolle Alternative. "Wir müssen von kurzfristigen Lösungen zu nachhaltigen Alternativen übergehen", so Vidović. Die Stadt Wien fördert inzwischen die Nachrüstung solcher Anlagen mit bis zu 1.500 Euro. Auch das Österreichische Institut für Bautechnik hat reagiert und in seiner Richtlinie 6 strengere Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz aufgenommen.
Eine Computersimulation des Ingenieurbüros e7 GmbH zeigt, dass sich mit geeigneten Sonnenschutzmaßnahmen die maximale Raumtemperatur um bis zu 3,2 Grad senken lässt. Das hat direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden in den Innenräumen: Die Zahl der Stunden mit Temperaturen über 26 Grad kann von 2.470 auf etwa 1.264 reduziert werden. Je nach System sinkt der Bedarf an Kühlenergie um bis zu 71 Prozent.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich die Investition. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 (OGH 5 Ob 224/13x) erkennt energieeinsparende Maßnahmen als wertsteigernd an und erlaubt einen Zuschlag zum Richtwertmietzins. Die Studie des BVST berechnet den Nutzen auf Basis jener Energiekosten, die ohne Sonnenschutz für die Kühlung mit Klimageräten entstehen würden. Für Vermieter amortisiert sich die Investition häufig innerhalb weniger Jahre. Mieter profitieren von angenehmeren Raumtemperaturen und niedrigeren Stromkosten.
Sonnenschutz hat zudem eine lange Tradition. Historische Abbildungen von Carl Schütz und Rudolf von Alt zeigen, dass Fensterläden, Markisen und ähnliche Elemente bereits im 18. und 19. Jahrhundert fixer Bestandteil des Wiener Stadtbilds waren. Fuad Salic sagt dazu: "Als Architekt und Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik würde ich es sehr begrüßen, wenn Sonnenschutzanlagen – in jeglicher Form – wieder verstärkt ins Wiener Stadtbild, aber auch in das anderer Städte Einzug finden würden. Neben ihrem funktionalen Nutzen zur Reduktion sommerlicher Überwärmung lockern sie auch das Fassadenbild auf, verleihen Gebäuden mehr Charme und bringen Dreidimensionalität in das Fassadenbild. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn die Stadtbildgestaltung solche Elemente künftig vermehrt zulässt – zumal sie historisch immer präsent waren."
In Wien stehen über 13.000 Gründerzeithäuser mit etwa 150.000 Wohnungen, die unter das Richtwertsystem fallen. Bei durchschnittlich sechs Fenstern pro Wohnung ergibt sich ein Nachrüstungspotenzial von rund 900.000 Fenstern. Weitere 390.000 Fenster kommen aus etwa 65.000 Wohnungen in parifizierten Gebäuden hinzu, die ebenfalls unter das Mietrechtsgesetz fallen.
Sonnenschutz bringt Vorteile für alle Beteiligten. Mieter genießen ein angenehmeres Raumklima und geringere Energiekosten. Vermieter steigern den Wert ihrer Immobilien und können die Investition über die Miete refinanzieren. Die Umwelt wird durch den sinkenden Energieverbrauch und weniger CO2-Emissionen entlastet. Und das Stadtbild gewinnt an Struktur und Charakter.
Mit der zunehmenden Hitze wird Sonnenschutz zur Notwendigkeit – und zu einer Investition, die sich auf mehreren Ebenen rechnet.