Die Wiener Stadtwerke verstehen sich als "Klimaschutzkonzern" und haben sich als solcher vorgenommen, Gasheizungen in Wien bis 2040 gänzlich abzulösen. "Wir sind mit unseren Unternehmen in der Lage, die komplette Energie- und Mobilitätswende zu gestalten", sagte der neue Generaldirektor Peter Weinelt im APA-Interview. Statt mit Gas soll Wien in Zukunft mit Fernwärme, Wärmepumpen und Geothermie heizen, der Strom soll erneuerbar sein und Pkws elektrisch, so die Vision.
Die Wiener Stadtwerke, zu denen unter anderem die Unternehmen Wien Energie, Wiener Netze, Wiener Linien aber auch die Bestattung und Friedhöfe Wien gehören, sehen sich beim Wandel hin zu Nachhaltigkeit in der Verantwortung: "Als Klimaschutzkonzern muss man das proaktiv angehen und kann nicht immer nur bejammern, dass es an den Rahmenbedingungen fehlt", sagte Weinelt.
Bis 2040 sollen 56 Prozent aller Wohnungen und Häuser in Wien mit Fernwärme versorgt werden, aktuell sind es 40 Prozent. Der Rest soll mit Wärmepumpen beheizt werden: Bei Ein- und Zweifamilienhäusern im Kleinen, in dichter besiedeltem Gebiet mit zentralen, größeren Wärmepumpen und einem Nahversorgungsnetz, je nach Lage auch in Kombination mit Geothermie. Grund für die Aufteilung sei unter anderem die Topografie der Stadt: "Die Hügeligkeit von Wien in manchen Bezirken ist ein Riesenthema, weil dort das warme Wasser mit der Fernwärme nur sehr ineffizient hinzubringen ist", erklärte der Wiener-Stadtwerke-Chef.
In Wien gibt es momentan noch über 500.000 Gasthermen und mehr als 50.000 Gasherde. Damit soll bald Schluss sein, bis 2040 soll es in Wien keine Gasheizungen mehr geben. "Wir halten es für realistisch, dass wir dorthin kommen, ob sich alles bis 2040 ausgeht, wir werden uns nach Kräften bemühen", sagte Weinelt. Neben der Umstellung auf nachhaltige Heizungssysteme soll auch die Strom- und Wärmeproduktion bis 2040 klimaneutral werden.
Aktuell wird Fernwärme in der Hauptstadt noch zur Hälfte in sogenannten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen produziert, die gleichzeitig Wärme und Strom erzeugen und mit Erdgas befeuert werden. Rund 28 Prozent der Wärme stammt aus der Müllverbrennung, der Rest kommt in Form von Abwärme aus der Industrie, Spitzen werden mit Erdgas-Heizkraftwerken abgedeckt, ebenfalls zum Einsatz kommen Biomasse-Kraftwerke und Erd- und Umgebungswärme. In Zukunft soll Erdgas eine wesentlich kleinere Rolle spielen, stattdessen setzt Wien Energie auf Geothermie und große Wärmepumpen.
Leichter wäre der Heizungstausch gegangen, wenn im Erneuerbaren-Wärme-Paket der Regierung auch eine Verpflichtung und konkrete Stichtage festgelegt worden wären. Positiv am Paket seien die höheren Förderungen, die auch auf die Bedingungen im mehrgeschossigen Wohnbau Rücksicht nehmen. "Wir hätten ganz gerne gehabt, dass manche Dinge auch genau geregelt werden", sagte Weinelt, schließlich sei die Kalkulation wesentlich einfacher, wenn es einen Stichtag gibt. "Nachdem der Klimawandel das größte Problem ist, das wir weltweit haben, muss man auch entsprechend konsequent in diese Richtung arbeiten."
Energie ist im Übrigen Landessache, die Stadt Wien könnte also auch eigene Wege gehen und eine Verpflichtung beim Heizungstausch einführen. "Wir diskutieren mit der Stadt Wien gerade verschiedene Möglichkeiten, was juristisch geht und wie wir das am besten machen", sagte Weinelt. In Pilotprojekten, etwa im Servitenviertel, werde die Fernwärme aktuell flächendeckend ausgebaut und dabei auch erhoben, welche Förderungen Kundinnen und Kunden individuell brauchen. Aufgabe der Stadtwerke sei es auch, beim Wechsel zu unterstützen, der Konzern biete daher kostenlose Beratungen rund ums Heizen und die thermische Sanierung.
Beim Kundenservice habe es ein Umdenken gegeben. Die Energiekrise sei sehr überraschend gekommen, die Preiserhöhungen hätten Kundinnen und Kunden als überfallsartig empfunden. "Die Branche hat einen gewissen Vertrauensverlust erlebt, da wollen wir als Wiener Stadtwerke, Wien Energie, dagegenhalten", sagte Weinelt. Die Organisation im Kundenservice werde umgestellt, das Personal sei aufgestockt, ein zweiter Servicestandort eröffnet und die Öffnungszeiten ausgedehnt worden.
Ein weiterer Fokus der Stadtwerke liegt am Ausbau der Grünstrom-Produktion. "Wir werden uns sowohl in der erneuerbaren Stromerzeugung als auch in der erneuerbaren Wärmeerzeugung mindestens verfünffachen müssen, in den nächsten 10 bis 15 Jahren", so der Manager. Erreicht werde dieses Ziel beim Strom vor allem mit neuen Photovoltaik-Anlagen und Windparks, in Wien, aber auch in anderen Bundesländern und im Ausland. Auch einige Kleinwasserkraftwerke gehören zum Portfolio. Weitere Projekte befassen sich mit verschieden Arten von Speichern, etwa großen Batterien aber auch Wärmespeichern, oder Wasserstoff. "Wir sind bei vielen Dingen gerade in der Stufe, wo wir raus aus den Laboren mehr in die Praxis gehen", sagte Weinelt.
Peter Weinelt hat den Posten des Generaldirektors der Wiener Stadtwerke mit Jänner 2024 übernommen. Er war vorher Stellvertreter und folgt Martin Krajcsir, der sich in die Pension verabschiedet hat. Weinelt sitzt seit 2016 im obersten Führungsgremium der Stadtwerke. Der im Waldviertel aufgewachsene Manager ist zudem unter anderem Aufsichtsratvorsitzender bei der Wien Energie und den Wiener Netzen und Mitglied dieses Gremiums beim Verbund, der EVN und der Burgenland Holding. Weiters ist er Obmann des Fachverbands Gas Wärme in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Vizepräsident bei Österreichs Energie. Die Wiener Stadtwerke feiern heuer ihr 75-jähriges Jubiläum. (apa)