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Wieviel Sicherheit braucht ein Unternehmen?

Stefan Scheuerle, CEO von Sensorberg im Interview über Zutrittskontrollen, Trends, Entwicklungen und Schwachstellen.
Lisa Grüner
Stefan Scheuerle
Stefan Scheuerle
© Sensorberg

Wie haben sich die Zutrittskontrollen in den letzten Jahren entwickelt? 

Sprach man in den vergangenen Jahren von elektronischen Zutrittskontrollen, so waren das meist kartenbasierte Systeme großer Hersteller mit proprietären Systemen. Das führte dazu, dass beispielsweise Ersatzlesegeräte oft recht teuer einzukaufen waren und Unternehmen in diesen proprietären Systemen quasi „gefangen“ waren. In der Zwischenzeit hat sich jedoch einiges getan. Durch die Einführung offener Systeme auf IP-Basis sind nun schnelle und ad hoc Rechtevergaben möglich. Man kann zum Beispiel einen neuen Mitarbeiter im HR-System anlegen und ist dieses mit dem Zutrittskontrollsystem verbunden, bekommt der Mitarbeiter automatisch die entsprechenden Berechtigungen. Auch ist heute der Zugang über das Handy mit einer App möglich und zu guter Letzt decken heutige Zutrittskontrollsysteme auch weitaus mehr Anwendungsfälle ab. Neben Parkschranken, Aufzügen und sämtlichen Arten von Türen sind auch konditionelle Anbindungen an Alarmsysteme möglich mit unterschiedlichen Ausprägungen der daraus resultierenden Ereignisse.   

Wie werden Zutrittskontrollen in Zukunft funktionieren? Welche Trends zeichnen sich ab? 

Der bereits begonnene Trend zur Nutzung über App, Karte und PIN-Pad – jedoch in offenen Systemen – wird sich fortsetzen. Darüber hinaus können Zutrittskontrollsysteme auf Basis von IoT-Plattformen auch die gesamte Gebäudesteuerung mit beinhalten. So kann die App, die den Zugang gewährt, auch die Lichter steuern, die Heizung regulieren, die Paketannahme und Abholung inkludieren bis hin zur Bestellung von Zusatzservices wie beispielsweise Mobilität, Blumen ordern usw. 

Wieviel Sicherheit braucht ein Unternehmen? 

So viel wie möglich. Der Zugang zu Gebäuden kann schon fast als systemrelevant angesehen werden und daher ist Sicherheit die oberste Priorität. 

Der Zugang zu Gebäuden kann schon fast als systemrelevant angesehen werden und daher ist Sicherheit die oberste Priorität. 

Wie sicher sind elektronische Zutrittssteuerungen? 

Sicher sind Systeme dann, wenn sie offline-fähig sind, wenn also bspw. Türen erst gar nicht mit dem Internet verbunden werden müssen, also deren Öffnung nicht über eine Cloud ermöglicht wird. Sicher sind sie auch dann, wenn die neuesten Verschlüsselungs-Algorithmen verwendet werden. Viele Hersteller oder Firmen, die sich heute im Markt bewegen, bauen auf Systeme, die ähnlich wie beim Car Sharing rein über die Cloud öffnen. Das ist relativ einfach zu bewerkstelligen, birgt jedoch mehr Gefahren. Denn Offline-Systeme können auch nicht angegriffen werden. 

Wo sind die Schwachstellen? Was ist, wenn etwas schiefgeht (vom Stromausfall bis zum Hackerangriff)? 

Vorweg ist zu sagen: wenn der Strom ausfällt, wird sich eine elektrische Tür genauso wenig öffnen wie elektrische Geräte vor 20 Jahren in so einem Fall funktioniert haben. Die Stromversorgung ist bis heute eben nicht drahtlos möglich. Jedoch gibt es auch Möglichkeiten, ohne eine zu teure Notstromversorgung die Öffnung von Türen beim Stromausfall noch zu ermöglichen – Stichwort Power-over-Ethernet, bei der nur der Netzwerk-Switch notstromversorgt werden muss. Das bedingt aber eine Offline-Fähigkeit der Zutrittskontrolle. Hacker-Angriffe auf Zutrittskontrollsysteme haben wir bislang eher selten erlebt. Gefährlicher sind Hacker-Angriffe auf die dahinterliegenden Datenbanken. So wie 2019 Jahr in Korea geschehen, wo 1,5 Millionen Datensätze entwendet wurden. Ganz kritisch wird es, wenn es sich bei diesen Datensätzen noch um biometrische Daten handelt. Denn ein Passwort kann man ändern, ein einmal verlorener Fingerabdruck oder Gesichtsausdruck ist für immer im Netz und lässt sich auch nicht ersetzen. Daher verzichten wir auch auf biometrische Erkennung direkt an der Tür. 

Gibt es viele Unternehmen, deren Zutrittssysteme veraltet sind? Ab wann ist eine Erneuerung notwendig? 

Dazu können wir keine Angaben machen. Da fehlt uns der Überblick der einzelnen Unternehmen. Generell macht eine Erneuerung vor allem dann Sinn, wenn sich das Unternehmen ohnehin mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt.

Eine Erneuerung von Zutrittssystemen macht vor allem dann Sinn, wenn sich das Unternehmen ohnehin mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt.

Hat die COVID-19-Pandemie etwas im Sicherungsbereich verändert bzw. neue Produkte notwendig gemacht? 

Vielleicht nicht zwangsweise im Sicherungsbereich, aber wohl schon im Bereich des Zugangs. Berührungsloses Öffnen wird nun häufiger nachgefragt. Auch läuft zum Beispiel die Öffnung per App dem alten PinPad, auf das jeder drückt, den Rang ab. Neue Produkte sind nicht nötig, denn es gibt sie schon. Sie finden aber jetzt vielleicht mehr Aufmerksamkeit.      

Was ist ihr Bestseller? Und warum? 

Unser Bestseller ist unsere IoT-Plattform, die die Grundlage unserer Zutrittskontrolle bildet. Sie ist die Basis für weiterführende Use Cases der Gebäudeautomatisierung und Gebäudesteuerung. Da wir hardwareunabhängig sind, gibt es auch nicht den einen Bestseller. 

Bringen Sie demnächst neue Systeme auf den Markt? Welche? Wie unterscheiden sie sich von Mitbewerbern? 

Unsere Lösung wird ständig weiterentwickelt. Kunden bringen immer wieder Sonderwünsche ein, die nach und nach auch in das Produkt einfließen. Davon profitieren alle unsere Kunden, denn ähnlich wie Tesla immer neue Features per Softwareupdate in seine Autos einfließen lässt, erhalten auch unsere Kunden durch Updates neue Funktionen. Ich denke, dass ist auch ein entscheidender Unterschied zum Wettbewerb. Unsere Lösung wird nicht alt. 

Wie wartungsintensiv sind neue Systeme? 

Weit weniger wartungsintensiv als alte Systeme. Bei Sensorberg muss zur Wartung kein Techniker vor Ort geschickt werden. Das passiert alles remote. Wir monitoren das System und betreiben die einzelnen Elemente der Zutrittskontrolle. 

Auch im Vergleich mit älteren Systemen? 

Gerade im Vergleich mit älteren Systemen sind neue Systeme viel weniger wartungsintensiv.