„Der Wohnungsmarkt bleibt auch in der aktuellen Krise sehr stabil“ bringt BUWOG-Geschäftsführer Andreas Holler die Situation auf den Punkt. „Zum einen ist Wohnen als Grundbedürfnis generell weitgehend unabhängig von konjunkturellen Schwankungen, zum anderen hat die Coronakrise so klar wie nie zuvor gezeigt, dass Wohnqualität entscheidend für die Lebensqualität insgesamt ist. Nie haben die Menschen so viel Zeit zu Hause verbracht wie in den vergangenen elf Monaten und nie war eine Wohnung, in der sich alle Bewohner wohl fühlen, so wichtig wie in dieser Zeit. Auch das hat dazu beigetragen, dass eine den eigenen Ansprüchen entsprechende Miet- oder Eigentumswohnung weiter an Stellenwert gewonnen hat.“
Dazu kommt, dass die sehr niedrigen Zinsen günstige Finanzierungen ermöglichen und die Verunsicherung über die weitere Wirtschafts- und Währungsentwicklung Veranlagungen in Sachwerte noch attraktiver macht. „Wohnimmobilien sind objektiv eine sehr sichere, vielleicht sogar die sicherste Veranlagungsmöglichkeit für private Investoren und das ist ein wesentlicher Treiber für die Nachfrage“, so Holler. Das betreffe keineswegs nur das Segment Vorsorgewohnungen, sondern auch eigengenutzte Wohnungen: „Eine Eigentumswohnung ist letztlich ja ebenfalls eine Geldanlage, deren Rendite aus der ersparten Miete und der langfristigen Wertsteigerung besteht.“
BUWOG-Geschäftsführer Andreas Holler: „Die Nachfrage ist bei allen unseren Entwicklungsprojekten weiterhin stark, insbesondere gilt das für Eigentumswohnungen.“
Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin der EHL Wohnen: „Neu auf den Markt kommende Objekte sind weiterhin großteils bereits bei Baufertigstellung verkauft bzw. vermietet und bei kaum einem Projekt dauert es länger als sechs Monate, bis fast alle Wohnungen verwertet sind. „2019 und vor allen 2020 haben institutionelle Investoren ihr Engagement im Wohnsegment stark ausgebaut und eine ganze Reihe großer Projekte erworben, um sie langfristig im eigenen Bestand zu halten. Das reduziert das Angebot an Eigentumswohnungen und erhöht die Verfügbarkeit von Mietwohnungen.“
Daraus resultiert eine unterschiedliche Entwicklung bei Mieten und Kaufpreisen. „Die Mieten sind auf dem aktuellen Niveau stabil, während es bei den Kaufpreisen noch Anstiege gibt. Diese liegen in den Stadtentwicklungsbieten im Norden und Süden der Stadt im Bereich der Inflationsrate. Etwas höhere Zuwächse sind in zentrumsnäheren Lagen möglich, in denen die Möglichkeiten zur Errichtung weiterer Wohnungen weitgehend ausgeschöpft sind.“
Trotz des auf den ersten Blick dramatisch wirkenden Rückgangs der Neubauleistung von ca. 19.000 Einheiten im Jahr 2020 auf heuer nur mehr 17.000 erwartet Bauernfeind keine Wohnungsknappheit: „2020 war ein Ausreißer nach oben, mit dem der Rückstau aus den Vorjahren großteils abgebaut werden konnte, und wir kommen jetzt auf ein Niveau zurück, auf dem Angebot und Nachfrage nachhaltig im Gleichgewicht sind.“
Daniel Riedl, der als Vorstandsmitglied der BUWOG-Mutter Vonovia für das Immobiliendevelopment des DAX-Konzerns in Deutschland und Österreich verantwortlich ist, eine markante wirtschaftliche Erholung: „Grundsätzlich gehen wir sowohl für Österreich als auch für Deutschland davon aus, dass der aktuell durch die Lockdowns erzwungene Konsumverzicht primär zu einer Verschiebung von Ausgaben führt. Das zeigt sich einerseits darin, dass wegfallende Käufe von Eigennutzern, die von der Krise stärker betroffen waren oder sind, in den vergangenen Monaten durch Käufe privater Investoren überkompensiert wurden. Andererseits wird es nach dem Ende der Coronamaßnahmen auch auf dem Wohnungsmarkt Nachholeffekte geben, denn Käufe und Neuanmietungen von Wohnungen, die aufgrund vorherrschender Unsicherheit womöglich noch hinausgezögert wurden, werden getätigt, wenn sich die weitere Entwicklung der Situation klarer absehen lässt.“
Während Corona die quantitative Nachfrage nach Wohnraum kurz- und mittelfristig kaum beeinflusst, erwartet Michael Ehlmaier, CEO der EHL Immobilien Gruppe, erhebliche Auswirkungen auf die qualitativen Präferenzen der Wohnungssuchenden: „Die Wunsch-Wohnung wird nach Corona anders aussehen als vor der Pandemie und bei den Projekten, für die 2021 um Baugenehmigungen angesucht wird, schlägt sich das bereits in den Planungen nieder.“
Der augenfälligste Trend ist die weiter steigende Bedeutung von Freiflächen: „Außer im klassischen Altbau in zentralen Lagen und in Gründerzeitvierteln sind Wohnungen ohne Balkone, Terrassen oder Eigengärten schlicht nicht mehr erste Wahl. Projektentwickler sind gut beraten, im Zweifel auf einige Quadratmeter Wohnnutzfläche zu verzichten, um das Freiflächenangebot zu optimieren.“ Außerdem würden die einzelnen Wohneinheiten wieder etwas größer werden: „Der Homeoffice-Arbeitsplatz wird in neuen Wohnungsgrundrissen zur Selbstverständlichkeit. Das erfordert nicht viel, aber doch zusätzliche Fläche. In Neubauprojekten werden daher im Durchschnitt insgesamt etwas weniger Einheiten entstehen, als das vor Corona der Fall gewesen wäre.“
Der Boom bei Mikro-Wohneinheiten sei jedenfalls vorbei und auch ein Teil der derzeit in großen Zahlen leerstehenden Airbnb-Apartments werde in den allgemeinen Wohnungsmarkt zurückgeführt werden. Dass die durch Corona angestoßenen Entwicklungen nachhaltig sein werden, steht für Ehlmaier außer Zweifel: „Homeoffice wird für Hunderttausende Wienerinnen und Wiener Realität bleiben und der Wunsch nach Freiflächen ist ja nicht neu, sondern wurde nur verstärkt. Die unerfreuliche Erkenntnis, dass man mit Kurzfristvermietungen über Airbnb und Co. zwar gut verdienen kann, aber eben auch ein beachtliches Risiko trägt, wird das Investorenverhalten dauerhaft verändern.“