Unternehmen stehen zur Zeit vor der Herausforderung, die richtigen Spezialisten für ihr Unternehmen zu gewinnen und langfristig zu halten. Zugleich ändern sich durch KI die Anforderungsprofile an die Mitarbeiter und es ist eine große Kündigungswelle gerade im High-Tech-Bereich zu erkennen. Im Silicon Valley werden tausende Mitarbeiter entlassen und zugleich bezahlt man neuen Mitarbeitern Million Beträge, um sie von der Konkurrenz abzuwerben.
Workplace Management auf C-Level
Das dieses Thema in der obersten Unternehmensführung angekommen ist, zeigte sich auch am IFM-Kongress an der TU Wien. Marco Porak der Generaldirektor Österreich geht die Problemstellung aber aus einem ganz anderen Blickwinkel an. Für ihn stehen vor allem der Mitarbeiter und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt. Daher ließ er im letzten Jahr das IBM-Gebäude im 2. Bezirk in Wien vom Grund auf sanieren. Es war noch gar nicht so alt, aber es entsprach nicht mehr den modernsten Anforderungen. Nun bietet es vor allem viel Platz für Kommunikation. Ein ganzes Stockwerk ist diesem Thema gewidmet. Hier können Kunden empfangen, Projekte flexibel bearbeitet und neue Produkte entwickelt werden. Kommunikation und Austausch stehen im Mittelpunkt. Technik, wie modernstes Video-Konferenz-Equipment, aber auch flexible Einrichtung, die von den Nutzern selbst an die jeweilige Situation angepasst werden kann, unterstützen ein hybrides Arbeiten und Vernetzen. Aber wer soll das bezahlen? Das geschieht dadurch, dass IBM einiges an Bürofläche abgemietet hat. In etwa 30% weniger Büro wird jetzt genutzt. Die übrige Fläche ist ganz auf die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse ausgerichtet. Das wurde durch intensive Einbindung der Mitarbeiter in den Planungs- und Umsetzungsprozess sichergestellt. Genannte besondere Features im Well-Being-Bereich sind etwa ein ebenso benannter „Well-being Raum“ für das Praktizieren von Yoga, Gymnastik, Massagen, In-House Arbeitsmedizinische Versorgung und etwa einem Raum für stillende Mütter. Aus dem Vortrag war eindeutig erkennbar: Marco Porak ist das Wohl der Mitarbeiter ein persönliches Anliegen.
Ein ähnliches Vorgehen sehen wir bei MIC Customs Solutions in Linz. Auch hier ist das Thema in der Führung verankert. Ursula Schöneborn-Siligan, CFO und Vice President Finance and Legal befasst sich persönlich mit dem Thema Workplace Experience. Ziel ist es in Zeiten des Fachkräftemangels und des „War for Talent“, Mitarbeiter zu binden und zugleich Flexibilität und Wachstum zu ermöglichen. Dazu wurde ein völlig neues Gebäude in hybrider Beton-Holz-Bauweise in Cradle-to-Cradle-Prinzip, also voll recylclingfähig errichtet.
Für beide Projekte gilt: „Activity-Based-Working“ ermöglicht Flexibilität und Selbstbestimmung. Das Credo ist: „Das Unternehmen investiert nicht in Flächen, sondern in Menschen.“ Komfort ist daher kein Luxus, sondern Voraussetzung für Produktivität. Daher soll „Mehr Home ins Office!“ Der Raum wird zum Anker für Zugehörigkeit. Das Büro ist nicht mehr ein Ort der Anwesenheit, sondern der Energie, des Austauschs, der Inspiration. Das macht sich durch geringe Fluktuation und beim Recruiting positiv bemerkbar.
Innovationstreiber Hofburg
Ein mit Workplace Experience sehr verwandtes Thema ist ESG und Nachhaltigkeit, das den zweiten Schwerpunkt des Kongresses darstellte. Burghauptmann Reinhold Sahl berichtete, dass er ohne rechtliche Notwendigkeit einen starken Fokus auf das Thema legt, da Energieverbräuche einen sehr großen Kostenblock in historischen Gebäuden ausmachen. Zusätzlich ist nicht immer aktuelle Haustechnik verfügbar, um eine Optimierung basierend auf Zahlen und Fakten durchzuführen, daher arbeitet er mit der TU Wien zusammen, um eine effizient, und gering invasive, kostengünstige Nachrüstung durchzuführen. Er nutzt nicht nur die Software ANDA, sondern auch innovative Hardware-Architektur bestehend aus IoT-Messgeräten, Smart-Meter-Adaptern und modernsten Industrieroutern, die eine wesentlich kostengünstigere Datenerfassung, als klassische Gebäudetechnik ermöglichen. Die gesamte maßgeschneiderte Architektur basiert auf der Zusammenarbeit der TU Wien mit Stanford. Natürlich können auch schon bestehende Systeme ohne großen Aufwand eingebunden werden. Der Rollout erfolgt durch innovative österreichische Firmen. Die Hofburg zeigt sich aber auch von anderer Seite als sehr innovativ. Historische Elemente wie Kastenfenster bekommen ein neues Leben und erweisen sich bei bewusstem Einsatz als Energiesparer. Die Dokumentation erfolgt in einem 3D-Dokumentationstool. Das in den Gebäudemodellen die Messgeräte und IT-Komponenten verortet und so die Wartung und Fehlersuche vereinfacht. Auch die Planung von Optimierungsmaßnahmen und Sanierungsentscheidungen ist so viel effizienter.
Was dabei hilft? KI
Alexander Redlein präsentierte anhand der aktuellen Forschung gemeinsam mit der Universität Stanford, wie man auf Basis der ESG-Messdaten auch Gebäude optimieren kann. Zuerst werden dabei die Verbrauchs- und andere beeinflussende Daten, wie Wetter und Nutzung verwendet, um ein lokales Neuronales Netzwerk zu trainieren. Dieses kann danach dazu genutzt werden die Verbräuche anhand der aktuellen Wetter- und Nutzungsdaten vorherzusagen. Bei Abweichungen wird sofort ein Service-Mitarbeiter informiert oder ein Analytiker eingeschalten. Zur Zuordnung, um welches Problem es sich handeln kann, dann wiederum KI eingesetzt werden. Sie gibt erste Anregungen, welche Mängel aufgetreten sind. So entsteht aus der gesetzlichen Verpflichtung ein Mehrwert für die Eigentümer und Nutzer. Wichtig ist dabei eine LOKALE Lösung, die auch österreichische Wertschöpfung generiert. In diversen Forschungsprojekten ist auf Basis der Zusammenarbeit mit der Industrie dies erfolgreich gelungen.
ESG oder doch nicht?
Dass im Gegensatz zu vielen Gerüchten ESG-Reporting nicht vom Tisch ist, zeigte danach Dennis Pietzka von PwC Österreich und machte deutlich, was in diesem Bereich auf uns zukommen wird. Geplant ist ein „Stop the clock“-Proposal sprich eine Verschiebung der Erstanwendung um rund zwei Jahre. In dieser Zeit sollen inhaltliche Vorschläge, wie eine Einschränkung des Anwendungsbereichs auf Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden und 450 Millionen Umsatz, reine Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer auf begrenzte Sicherheit, statt auf „reasonable assurance“ und Vereinfachungen der ESRS z.B. auf quantitative Datenpunkte erarbeitet werden. Ziel ist es jedenfalls die Aufwände wesentlich zu reduzieren.
Genaue Vorschläge sind aber noch zu erarbeiten und müssen noch beschlossen werden. Zusammenfassend herrscht hier noch große Unsicherheit, auch welche Erleichterungen wirklich umgesetzt werden. Das Ziel 2050 CO2-neutral zu sein, bleibt aber jedenfalls aus heutiger Sicht bestehen. Dafür sorgen auch andere Regelungen wie das Energieeffzienzgesetz.
Cyberangriffe als Geschäftsmodell?
Andere gesetzliche Anforderungen im Bereich der Immobilienwirtschaft stehen hingegen bereits fest: Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz (NISG) und die Resilienz kritischer Einrichtungen-Gesetz (RKEG). Diese gewinnen durch die politische Lage auch immer mehr an Bedeutung, da sich die Anzahl der Cyberangriffe vermehrt und auch immer mehr private Unternehmen wie Spitäler, und wichtige Produktionsunternehmen betrifft. Viele Spezialisten sprechen daher schon von einem hybriden Krieg, in dem wir uns befinden.
Beide Gesetze erweitern daher die bisherige Sicht auf das Sicherheitsniveau von Netz -und Informationssystemen um Gebäudeaspekte. Hier geht es vor allem um die physische Sicherheit, und ein Business Continuity Management. Sprich das auch im Krisenfall eines Cyber- auch eines physischen Angriffs der Betrieb oder die Infrastruktur weiter verfügbar ist und somit das Kerngeschäft weitergeführt werden kann. Während das RKEG nur auf vom Ministerium dezidiert genannte Infrastruktur anzuwenden ist, muss NISG in Abhängigkeit von Größe und Unternehmenszweck immer durch eine interne Risikoanalyse – welche Risiken bestehen, wie hoch sind diese und welche Risikomaßnahmen sind umzusetzen – durchgeführt werden und sieht zur Abschreckung auch erhebliche Strafen (bis zu 500.000 EUR) für die Unternehmensführung vor. Alessandro Friedreich zeigte deutlich auf, dass vor allem die Gebäudetechnik und ihre Steuerung von außen, Gebäude sehr verletzlich macht. Dies kann aber mit einfachen Methoden wie einer besseren Firewall, rechtzeitigen Systemupdates und einer Backup-Stromversorgung einfach und kostengünstig verbessert werden. Diese Schritte sind sehr ratsam, um die Kontinuität des Kerngeschäftes sicherzustellen und die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) des Unternehmens zu stärken.
Wirtschaft erholt sich
Diese springt laut Valentin Hofstädter nun auch wieder in Europa an. Die USA ist zwar immer noch viel performanter, aber für Europa sieht er auch wieder Licht am Ende des Tunnels. Der Fachkräftemangel hält jedoch weiter an bzw. wird sich durch demographische Entwicklungen, wie etwa die „Baby-Boomer-Pension“, weiter verschärfen.
Bemerkenswert ist die schwache Performance von China und die starke Leistung von Indien.
Dies führt zu einer Verstärkung der Kooperation auch auf universitärer Ebene. Der IFM-Kongress legte den Grundstein für eine Zusammenarbeit der TU Wien mit dem IIT-Bombay. Zahlreiche Professoren und Studenten besuchten den Kongress und werden in der folgenden Woche an einer gemeinsamen Winter School zum Thema „ESG in Practice“ teilnehmen. Ziel ist es, nicht nur die Studierenden im Bereich ESG und smarten Technologien, wie IoT, KI, sowie Workplace weiterzubilden, sondern auch für aktuelle Problemstellungen österreichischer und indischer Immobilienunternehmen im Rahmen einer Design-Thinking-Challenge am Ende der Winter School innovative Lösungsansätze zu kreieren. Man kann also zusammenfassen, Kooperation zwischen Science und Practise rechnet sich.